Bei Ermittlungen nach Einbrüchen soll die Polizei weitere fünf Jahre Kommunikation überwachen dürfen. Ursprünglich war das nur bei Verdacht auf eine Bande erlaubt, 2019 fiel diese Voraussetzung vorübergehend weg. Eine Evaluation sollte zeigen, ob das sinnvoll ist, doch dann kam Corona.
Wohnungseinbrüche gingen während der Pandemie zurück. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Eyasu EtsubErmittlungsbehörden sollen bei Wohnungseinbruchdiebstahl weiterhin Telekommunikation überwachen dürfen, auch wenn es sich mutmaßlich um Einzeltäter:innen handelt. Ursprünglich war das nur bei Verdacht auf bandenmäßig organisierte Einbrüche erlaubt. Die Erweiterung aus dem Jahr 2019 war eigentlich bis Ende dieses Jahres befristet, doch das Bundesjustizministerium (BMJ) hat nun dem Bundestag eine Formulierungshilfe vorgelegt, um die Befristung um fünf Jahre zu verlängern.
Die geplante Verlängerung hatte das BMJ schon im Frühjahr angekündigt. Grund dafür ist, dass eine Evaluierung der ursprünglichen Erweiterung nicht besonders aussagekräftig war. Laut Formulierungshilfe liegt das etwa an der Pandemiezeit, in der Menschen häufiger zu Hause waren und Einbruchzahlen zurückgegangen sind.
Doch auch bei den stattgefundenen Wohnungseinbruchdiebstählen wurden entsprechende Telekommunikationsüberwachungen laut der Untersuchung selten angeordnet: bei 0,08 bis zu 3,07 Prozent der geführten Ermittlungsverfahren. Das sieht das BMJ als positiven Beleg dafür, „dass dieses Ermittlungsinstrument mit Augenmaß und nur in geeigneten Fällen von erheblichem Gewicht eingesetzt wird“.
Eine erneute Evaluation soll kommenDie Ausweitung der Taten, bei denen Ermittlungsbehörden sowohl klassische Abhörmaßnahmen als auch Staatstrojaner einsetzen dürfen, sei als sensibel anzusehen, so die Begründung des BMJ-Entwurfs. Daher soll es vor Ablauf der verlängerten Frist wieder eine Evaluation geben. Schon im April hatte die Unionsfraktion im Bundestag ihrerseits einen Entwurf zu einer Verlängerung eingebracht, der jedoch abgelehnt wurde. In der zugehörigen Anhörung hatten Sachverständige kritisiert, dass es sich bei der Befugniserweiterung um Symbolpolitik handele.
Die jetzige Formulierungshilfe soll laut BMJ im Rahmen einer Änderung des Strafgesetzbuches in den parlamentarischen Prozess gehen, die der Bundestag am Donnerstag in 1. Lesung besprechen wird. Im Gesetzentwurf zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ geht es unter anderem auch um den Einsatz von Tasern.
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Wir sprechen mit Katarzyna Szymielewicz, Präsidentin der polnischen NGO Panoptykon Foundation. Wie hat sich die Situation für digitale Rechte verändert, seit Donald Tusk die Regierung übernommen hat? Was passiert an der Ostgrenze des Landes? Wie steht es um die Untersuchung zu Pegasus? Und sitzen wir alle in einem sinkenden Schiff?
Katarzyna Szymielewicz studierte Jura und Entwicklungswissenschaften. – CC-BY-SA 4.0 Wikimedia CommonsDie Panoptykon Foundation ist eine polnische NGO, die gegen Überwachung und für Digitalrechte kämpft. Eine ihrer Mitgründerinnen war 2009 Katarzyna Szymielewicz. Szymielewicz ist heute immer noch Präsidentin der Stiftung und leitet ihre europäische Lobbyarbeit. Wir haben mit ihr am Rand des Tech and Society Summits gesprochen, wo Europas Zivilgesellschaft zusammenkam, um ohne Big Tech über Digitalpolitik zu diskutieren.
netzpolitik.org: Was ist gerade das größte digitale Thema in Polen?
Katarzyna Szymielewicz: Für uns bei Panoptykon gibt es nicht wirklich eine Abgrenzung zwischen Polen und allem anderen – wir denken global über digitale Probleme nach, weil sie Grenzen überschreiten.
Eine zentrale Herausforderung bleibt, den digitalen Raum zurückzugewinnen, besonders die sozialen Medien. Was wir in Polen und auch in vielen anderen Ländern erleben, ist die Polarisierung der Debatten.
Der jüngste Regierungswechsel in Polen war ein großer politischer Wandel, hat sich aber nicht positiv auf dieses Problem ausgewirkt. Die Gesellschaft ist tief gespalten. Das hängt damit zusammen, wie die sozialen Medien funktionieren, wie sie Geld verdienen und was Werbeunternehmen erwarten. Im Moment haben wir ein geschlossenes Ökosystem, in dem alle das gleiche Spiel spielen, außer den Social-Media-Plattformen. Die sind wie ein Kasino, das immer einen Gewinn macht, wenn wir verlieren.
Wenn man Politiker:innen in Polen fragen würde, würden die sicher etwas anderes erzählen. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Es würde einen gewaltigen Unterschied machen, wenn wir verbessern würden, was in sozialen Medien Reichweite bekommt. Ich sehe nicht, wie das aus unserem Land selbst kommen kann, aber ich sehe einen Weg, wie wir zusammen mit der Europäischen Union daran arbeiten können. Das ist definitiv das Thema, das mit so vielen anderen Problemen verbunden ist, dass ich damit anfangen würde: Empfehlungssysteme und ihre Logiken zu verbessern.
„Es hat sich nichts geändert“netzpolitik.org: Der Regierungswechsel Ende vergangenen Jahres hat nichts verändert?
Katarzyna Szymielewicz: Absolut nichts. Die neue Regierung spielt mit der Polarisierung, sie hat alles so gemacht, was die vorherige Regierung als effizient bewiesen hat. Wir haben immer noch Politiker, die keine Probleme lösen, weil sie das weniger sichtbar machen würde.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Lage an der Grenze. Das war eines der ersten Dinge, wo die Leute Veränderung erwartet haben – das zweite war Abtreibungen, das dritte vielleicht LGBTQ-Rechte.
Es hat sich nichts geändert, rein gar nichts. Das heißt nicht, dass die Themen nicht existieren. Die Regierung fühlt nur keinen Druck, ihre Politik zu ändern. Wir haben anscheinend dieses Stadium von post-demokratischem Verfall erreicht, in dem man keine Politik mehr ändern muss, nur noch Narrative. Dinge ändern ist gefährlich, in sozialen Medien oder im Fernsehen über Dinge reden nicht. Also nein, keine guten Neuigkeiten.
netzpolitik.org: Die Lage an der Grenze ist wahrscheinlich auch ein eigenes Digitalthema, oder?
Katarzyna Szymielewicz: Das kann sie sein, ja. Wir sind gerade dabei, Beispiele von KI-gestützten Überwachungssystemen und Überwachungssystemen allgemein bei der polnischen Verwaltung zu sammeln. Wir hoffen, dass es mit der KI-Verordnung öffentliche Datenbanken geben wird, die zeigen, welche KI-Überwachungssysteme in einem Land wie Polen im Betrieb sind. Mit all den Ausnahmen, die Rat und Parlament am Ende des Trilogs noch in die KI-Verordnung gepackt haben, sind wir uns übrigens weniger sicher, dass das passieren wird.
Wir versuchen mehr über diese Systeme zu erfahren, aber es ist unglaublich schwer. Es gibt keinen Weg, wie wir an Informationen kommen können. Wir wissen, was wir sehen können – es gibt einen Zaun und der Zaun hat Kameras. Aber welche Systeme, welche Technologie dahinter steckt, wie Drohnen eingesetzt werden, welche Daten gesammelt werden, ob biometrische Daten gesammelt werden, ob Menschen auf der Flucht irgendwie profiliert werden – das wissen wir alles nicht.
Nichts Neues an der Ostgrenzenetzpolitik.org: Frontex, die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache, ist für diese Grenzen zuständig und sitzt in Polen. Sind sie in der polnischen Debatte präsent?
Katarzyna Szymielewicz: Ich sehe sie kaum je in den Medien oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Ich glaube, sie sind sehr glücklich, in einem Land zu sitzen, in dem nichts über sie aufgedeckt wird und in dem sie nicht zu viel sagen müssen.
Es ist sogar ziemlich symbolträchtig, wo sie sitzen: in einem beliebten Bürogebäude, zusammen mit vielen Unternehmen. Das ist ein großer Turm in Warschau, den man nicht betreten kann, außer man arbeitet bei einem der großen Unternehmen oder bei Frontex selbst. Sogar davor zu protestieren, wäre absurd. Man würde vor einem großen Bürogebäude direkt neben einer vielbefahrenen Kreuzung protestieren.
Pegasus-Fall ist stark politisiertnetzpolitik.org: Was können Sie zum aktuellen Stand der Pegasus-Untersuchung in Polen sagen?
Katarzyna Szymielewicz: Das ist eine weitere sehr politisierte Diskussion. Als die aktuelle Regierung noch in der Opposition war, hat sie die Untersuchung als großes Argument gegen die vorherige Regierung genutzt, um zu zeigen, wie wenig sie die Privatsphäre respektiert. Menschenrechtsorganisationen haben auch angefangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wir eingeschlossen. Mindestens ein Gerichtsfall wird gerade nach Straßburg an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht.
Wir hoffen, dass wir Empfehlungen für Polen bekommen, solche Werkzeuge zu verbieten – oder dass angemessene Schutzmechanismen eingeführt werden. Wir glauben, dass solche Werkzeuge mit Schutzmechanismen legal sein können. Aber das ist eine Frage von fünf Jahren oder noch später. Das wissen wir, weil wir solche Fälle schon früher vorgebracht haben, und es hat sieben Jahre gedauert, bis unser Fall in Straßburg angehört wurde und ein Urteil bekommen hat.
Die neue Regierung hat Pegasus heftig kritisiert, sie haben es als heißen Fall gegen ihre politischen Gegner benutzt. Sie haben jetzt alle Werkzeuge, dieses Problem zu lösen. Und sieh mal einer an – sie setzen noch nicht einmal das Urteil um, das Panoptykon in Straßburg errungen hat.
netzpolitik.org: Was sollte sich in diesem Bereich verändern?
Katarzyna Szymielewicz: Wir erwarten eine umfassende Reform, wie Geheimdienste in diesem Land arbeiten. Regeln für Dinge wie Pegasus zu schaffen, ist ein Teil davon. Aber ein noch wichtigerer Teil ist es, eine unabhängige Aufsichtsbehörde zu schaffen, die Beschwerden von Bürger:innen anhören kann. Viele Länder haben schon solche Behörden.
Wir stellen uns kein parlamentarisches Gremium wie in Deutschland vor, sondern etwas, das frühere Geheimdienstbeamt:innen und Richter:innen im Ruhestand zusammenbringt. Die Behörde sollte professioneller sein. Ich glaube nicht, dass parlamentarische Gremien diese Funktion wirklich erfüllen können. Das ist mehr eine Sache für eine Behörde mit Leuten, die wissen, was sie tun, und die auf beiden Seiten Vertrauen genießen.
Wir haben diesen Vorschlag in einem Prozess entwickelt, für den der damalige Bürgerbeauftragte Adam Bodnar Gastgeber war. Er ist jetzt Justizminister. Er weiß also genau, wie dieses Problem gelöst werden sollte. Aber macht er das auch? Nein. Wieso? Das weiß ich nicht.
Ein anderes Beispiel ist das Europäische Medienfreiheitsgesetz. Das wird in Polen gerade umgesetzt. Eine Klausel in diesem Gesetz erlaubt es, Werkzeuge wie Pegasus gegen Journalist:innen einzusetzen, wenn es auf nationaler Ebene ausreichende Schutzvorkehrungen gibt. Haben wir diese Schutzverkehrungen? Nein, haben wir nicht. Wird diese Klausel trotzdem umgesetzt? Ja, wird sie.
Das war gerade alles zynisch. Ich hoffe natürlich auf eine bessere Lösung. Aber nach beinahe einem Jahr mit der neuen Regierung sehen wir nicht wirklich, dass diese Probleme gelöst werden. Ich fürchte, dass sie beiseitegeschoben werden, weil sie nicht öffentlichkeitswirksam genug für die Titelseite sind.
Menschen über EU-Gesetze informierennetzpolitik.org: Sie haben gerade die KI-Verordnung erwähnt. Ein Problem mit Spionagesoftware ist, dass die EU-Mitgliedstaaten sich immer hinter dem nebulösen Konzept der nationalen Sicherheit verstecken, wenn das Parlament versucht, ihre Überwachung zu begrenzen. Manche Leute in Brüssel wollen deshalb zumindest eine einheitliche Definition dieses Konzepts durchsetzen, damit sie sich nicht mehr ganz so viel dahinter verstecken können. Halten Sie das für eine gute Idee?
Katarzyna Szymielewicz: Ich mag es, wenn die EU versucht, Standards zu erhöhen. Gleichzeitig bin ich seit 15 Jahren in der europäischen Politik aktiv. Ich weiß, was in jedem Trilog passiert – wie der Rat immer wieder mit Ausnahmen ankommt, die immer, immer, immer mit nationaler Sicherheit zu tun haben, wie es auch jetzt wieder bei der KI-Verordnung passiert ist.
Ich bin also nicht naiv. Warum es nicht versuchen? Ja. Aber wird es funktionieren? Ohne echte Veränderungen auf nationaler Ebene, wie zum Beispiel das Schaffen einer unabhängigen Aufsichtsbehörde, die Untersuchungen durchführen kann, würden wir nie wissen, ob ein Mitgliedstaat wie Polen solche Standards auch einhält.
netzpolitik.org: Sie haben die KI-Verordnung erwähnt. Wie schaut Polen auf europäische Gesetze wie die KI-Verordnung, den Digital Services Act oder den Digital Markets Act?
Katarzyna Szymielewicz: Eins unserer Ziele als Panoptykon ist es, Desinformation über EU-Gesetze zu verhindern. So verhindern wir auch, dass Menschen von nationalen oder ausländischen Akteuren dazu verleitet werden, zu glauben, dass Regulierung sich gegen Menschen richtet. Ich glaube, dass in der EU Gesetze meistens vorgeschlagen werden, um Probleme zu lösen. Diese ganzen Digitalgesetze, die gegen Big Tech entwickelt wurden, halte ich für wirklich gut.
Aber was mit ihnen in der Praxis passieren wird, ist eine andere Geschichte. Das haben wir schon mit der Datenschutz-Grundverordnung gesehen, die im Prinzip ein sehr schlaues Gesetz ist. Und dann nahm der Markt sie als Ausrede für eine Reihe sehr irritierenden Praktiken, um Verbraucher:innen das Vertrauen in die EU und in das Gesetz auszutreiben. Ich glaube, da gab es einen sehr bewussten Plan.
Wird das mit dem Digital Services Act und der KI-Verordnung wieder passieren? Ich hoffe, es wird mehr Anleitung vom Gesetzgeber geben, um das zu verhindern. Aber es ist ein echtes Risiko. Und wenn das passiert, wenn Verbraucher:innen sich vor mehr Hürden wiederfinden, dann werden wir eine neue Frustrationswelle haben. Meine Hoffnung ist, dass wir genug Zeit und Ressourcen haben werden, um die Öffentlichkeit zu informieren und dieses Szenario zu verhindern. Das wäre für die Durchsetzung des Gesetzes sehr gefährlich.
netzpolitik.org: Sie beschäftigen sich seit 15 Jahren mit EU-Politik. Wo verorten sie sich dabei? Arbeiten Sie in Polen, arbeiten sie in der EU? In beiden?
Katarzyna Szymielewicz: Wir versuchen, beide Pferde zu reiten. Das war schon immer eine Herausforderung. Ganz am Anfang sind wir European Digital Rights beigetreten, unserem europäischen Netzwerk, und auch anderen Netzwerken. Das ist ein eigener Job und kostet eine Menge Arbeit. Es gibt Momente, in denen ich diese Wahl beinahe bereue und denke, wir sollten uns wieder auf Polen fokussieren und versuchen, lokal etwas zu bewegen. Da haben wir mehr Gewicht, sprechen die Sprache und verstehen die Medien.
Aber das wäre, wie sich selber zu blenden. Wir würden unsere Augen schließen und denken, oh, ich habe hier dieses Problem, und dabei ignorieren, dass das Problem in unserem Land durch die Praktiken globaler Unternehmen und durch Fehler der EU-Regulierung verursacht wird. Wir müssen beides machen.
Gerade ist unser Team aufgeteilt. Es gibt zwei Jurist:innen, darunter ich, die auf der EU-Ebene arbeiten, und zwei Jurist:innen auf der nationalen Ebene. Unser Schlüssel dazu, nicht völlig überfordert zu werden – denn das sind wir öfter –, ist Spezialisierung. Wir versuchen, uns unsere Kämpfe sehr taktisch auszusuchen. Es gibt also einen Kampf für die Regulierung von Geheimdiensten, einen Kampf für die Durchsetzung des Digital Services Acts – für uns fokussiert auf Empfehlungssysteme und wie sie repariert werden können – und einen zu KI, wo wir zum Beispiel die polnische Umsetzung der KI-Verordnung beobachten.
Der Überwachungskapitalismus wird bleibennetzpolitik.org: 15 Jahre sind eine lange Zeit. Hat sich die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene in dieser Zeit verbessert? Ist die europäische Gesetzgebung besser geworden? Die eigentliche Frage: Wo geht es hin mit Europa?
Katarzyna Szymielewicz: Oh Gott, ich glaube nicht, dass ich das beantworten kann. (lacht)
Aus dem Blickwinkel von Lobbyist:innen für die Zivilgesellschaft würde ich sagen: Es geht uns super. Politiker:innen haben endlich Probleme erkannt, von denen wir ihnen seit zehn Jahren erzählen. Ich mag viele Teile von Ursula von der Leyens Entsendungsschreiben an ihre neuen Kommissar:innen. Ich mag die Idee eines Digital Fairness Acts. Ich mag viele Teile des Digital Services Acts sehr. In meiner Arbeitsrolle würde ich sagen, dass es uns sehr gut geht.
Aber als Bürgerin, als Mutter, als Mensch glaube ich, dass das alles den Bach runtergehen wird. Der Überwachungskapitalismus wird bleiben. Wir basteln an Stücken und Teilchen davon herum, aber die ganze Maschinerie hinter der Logik des Überwachungskapitalismus bleibt bestehen, in der Menschen in den letzten Jahren zu digitaler Biomasse statt zu denkenden Individuen geworden sind. Für mich fühlt es sich auch mit dem ganzen Fortschritt so an, als ob die Titanic am Untergehen ist. Wir müssen wahrscheinlich akzeptieren, dass die tiefe Krisis noch vor uns liegt.
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We talk with Katarzyna Szymielewicz, president of the Polish NGO Panoptykon Foundation. How has the situation for digital rights changed since Donald Tusk took over the country’s government? What’s happening at the country’s Eastern border? What’s the state of the investigation into Pegasus? And are we all sitting in a sinking ship?
Katarzyna Szymielewicz studied Law and Developmental Studies. – CC-BY-SA 4.0 Wikimedia CommonsThe Panoptykon Foundation is a Polish NGO fighting against surveillance and for digital rights. One of its co-founders, way back in 2009, was Katarzyna Szymielewicz. Szymielewicz is still president of the foundation and leads its European advocacy work. We spoke to her at the margins of the Tech and Society Summit, where Europe’s civil society came together to discuss digital policy without big tech.
netzpolitik.org: What’s the biggest digital topic in Poland right now?
Katarzyna Szymielewicz: For us at Panoptykon, there is not really Poland and everything else – we think globally about digital problems because they operate across borders.
A key challenge remains how to reclaim the digital space, specifically social platforms. What we experience in Poland, and I believe in many other places, is the polarisation of the debate.
The recent change in government in Poland was a big shift in politics, but it did not influence this problem in a positive way. Society is deeply divided. I link that to how social media functions, how they make money, what advertisers expect. Right now, we have a closed ecosystem in which everybody plays the same game, apart from social media platforms, which are like a casino that always makes a profit on us losing.
If you asked politicians in Poland, I’m sure they would give you a different story. But I’m confident that if we fixed what is promoted in social media, that could be a massive change. I don’t see that coming from within the country, but I see a way in which we could work on it with the European Union. That’s definitely the issue that implicates so many other problems that I would start with this one, fixing recommender systems and their logic.
“No change”netzpolitik.org: And the change of government at the end of last year changed nothing?
Katarzyna Szymielewicz: Absolutely not. The new government played on polarisation, they played everything that the previous government taught them is efficient. We still have politicians who are not solving problems because solving problems would bring them much less visibility.
A great example of that is the situation on the border. That was one of the very first things people expected to change – the second one being abortion, third maybe LBGTQ rights.
No change has happened, absolutely none. It doesn’t mean the topics don’t exist. The government simply doesn’t feel pressured to change its policy, because apparently we entered that state of post-democratic degradation in which you don’t have to change policies, you change narratives. Changing things is risky, discussing things on social media or on TV is not. So yeah, no good news.
netzpolitik.org: I imagine the management of the border is also a digital topic by itself?
Katarzyna Szymielewicz: It can be, yes. We are in the process of collecting examples of AI assisted surveillance systems and surveillance systems in general from the Polish administration. We hope that with the AI Act in place there will be public databases showing what AI surveillance systems are used in countries like Poland. As a sidenote, with all the exemptions the Council and the Parliament put in the AI Act towards the end of the trilogue, we are less sure of this happening.
We are trying to research these systems, but it’s incredibly difficult. There is no way we can get access to information. We know what we can see – there is a fence and that fence has cameras. But what systems, what real technology is behind that, how drones are used, how data is collected, whether biometric data is collected, whether there is any profiling people on the move – these things we don’t know.
netzpolitik.org: Frontex, the EU’s Border and Coast Guard agency responsible for managing these borders, sits in Poland. Are they present in the Polish debate?
Katarzyna Szymielewicz: I hardly ever see them in the media or in public events. I think they are very happy to be in a country where they are not exposed and they don’t have to say too much.
It’s even quite symbolic where they are located: Inside of a popular office building, together with many corporations. It’s a big tower in Warsaw where you can’t enter unless you are employed by one of the big companies or Frontex itself. Even protesting in front of it would be absurd because you end up protesting in front of a big office building next to a very busy roundabout.
The Pegasus investigationnetzpolitik.org: I want to ask you about the Pegasus investigation in Poland. Could you speak about its current state?
Katarzyna Szymielewicz: It’s another debate that’s deeply politicized. When the current government was in the opposition, they used it as a major argument against the previous government, to show how disrespectful they are of privacy. Human rights organisations also became active on the topic, including us. There is at least one case being brought to Strasbourg to the European Court of Human Rights.
We hope to get recommendations for Poland to make tools like this illegal – or for appropriate safeguards to be introduced. We think they can be legal, with appropriate safeguards. But a case in Strasbourg is a matter of five years or longer in the future. We know, because we’ve brought cases like this one before, and it took seven years for our case in Strasbourg to get heard and get a ruling.
We’ve seen the new government heavily criticise Pegasus, they used it as a hot case against their political opponents. Today, they have all the tools to solve this problem. And guess what? They’re not even implementing the ruling Panoptykon got in Strasbourg.
netzpolitik.org: What are your ideas for reforms in this area? What should be changed?
Katarzyna Szymielewicz: We expect a deep reform of how secret services operate in the country. Creating rules for things like Pegasus is one element of it. But an even more important element is to create an independent oversight body that would hear complaints from citizens. Many countries have bodies like this.
We aren’t thinking about a parliamentary body like in Germany, but something composed out of former secret service officials or retired judges. It should be more professional, I don’t think parliamentary bodies can really fulfil this function. It should investigate cases, hear complaints from citizens, perform real oversight. That’s more of a job for an office, composed out of people who know what they are doing and have some trust on both sides.
Our process for developing this proposal was hosted by the then-Ombudsman, Adam Bodnar. He is right now minister of justice. So he knows exactly how this problem should be resolved. Is he doing it? No. Why? I don’t know.
Another example is the European Media Freedom Act. It’s being implemented in Poland these days. One clause in that law allows for the use of tools like Pegasus against journalists if there are safeguards on the national level. Do you think we have safeguards? No, we don’t. Do you think is clause is implemented? Yes, it is.
I’m being cynical right now. I hope, of course, for a better solution. But after almost one year with the new government, we don’t really see how these problems are being resolved. I fear they are being pushed away as not popular enough to be on the front page.
netzpolitik.org: You mention the European level. One problem for spyware is that the EU member states keeping hiding behind the nebulous concept of national security whenever the Parliament tries to restrict their surveillance. Some people in Brussels were pushing to have at least a European definition of that concept, so they couldn’t hide behind it quite as much anymore. Do you think that would be a good idea?
Katarzyna Szymielewicz: I like when the EU tries to increase standards. At the same time, I’ve been in European politics for 15 years. I know what happens in every trilogue, how the Council comes in with exemptions that are always, always, always about national security, like it happened with the AI Act.
So I’m not naïve. Why not try? Yes. But will it work? Without real changes on the national level, like creating this independent oversight body that could investigate, we would never know whether a member state like Poland is observing these standards.
Need to inform people about EU lawsnetzpolitik.org: You mention the AI Act. How is EU legislation like the AI Act, the Digital Services Act or the Digital Markets Act, being perceived in Poland?
Katarzyna Szymielewicz: One of our objectives as Panoptykon is to prevent disinformation on EU regulations, to prevent people from being manipulated by national or foreign actors to believe that regulations are against people. I think that in the EU, regulation is usually proposed to solve problems. I think all these digital regulations that were developed to target big tech are all really good.
But how they will play out in practice is another story. We have seen this with the General Data Protection Regulation, which in principle is a very clever law. And the market took it as a great excuse to do a bunch of irritating practices to make consumers lose belief in the EU and hate the regulation. I believe that was a very conscious policy.
Will that happen again with the Digital Services Act and the AI Act? I hope there will be much more guidance from the regulator to prevent that. But it is a real risk. And if it happens, if consumers start spotting more barriers, we might have another wave of frustration. And my hope is: We will have enough time and resources to educate the public to prevent this scenario, because it would be extremely dangerous for enforcing the law.
netzpolitik.org: You have been in European politics for 15 years. Where do you position yourself? Do you work in Poland, do you work in the EU? Both?
Katarzyna Szymielewicz: We try to ride both horses. It has always been challenging. In our early days, we joined European Digital Rights, our European network, and then started joining other networks, which is a job on its own and takes a lot of our capacity. There are moments where I almost regret that choice and think we should refocus on Poland and try to do something local, where we have more leverage, speak the language and understand the media.
But it would be blinding ourselves, like closing your eyes and thinking, oh, I have this problem here, and ignoring that the problem you have in your country is rooted in the practices of global companies and in mistakes in regulating on the EU level. We have to do both.
Right now, our team is divided. There are two lawyers, including me, working on the EU level and two lawyers more on the national level. Our key to not be completely overwhelmed – because we frequently are – is to specialise. We try to be really tactical about choosing battles. So there is one battle for secret service regulation, one battle for DSA enforcement – which for us is focused on recommender systems and how they can be fixed – and one more related to AI, which for example is us watching the Polish implementation of the AI Act.
Where are things going in Europe?netzpolitik.org: 15 years are quite a long time. Has cooperation on the European level gotten better in that time? Has European legislation gotten better or worse? Basically, where are things going in Europe?
Katarzyna Szymielewicz: Oh my God, I don’t think I can take this one. (laughs)
As lobbyists working for civil society, I can say we are doing great. Policymakers finally spotted problems that we’ve been signalling to them for ten years. I like many elements of Ursula von der Leyen’s mission letters to her new commissioners. I like the idea of having a Digital Fairness Act. I really like many elements of the Digital Services Act. In my professional capacity I would tell you that we are doing great.
As a citizen, as a mother, as a human being, I think it’s all just going to crash. Surveillance capitalism is here to stay. We’re fixing bits and pieces of it, but the whole machinery which controls the logic of surveillance capitalism prevails in politics, in media – also in humans that in recent years became digital biomass and not thinking individuals. To me, it feels like even with all the progress we have made, the Titanic is going down, and we probably have to accept that the deep crisis is still in front of us.
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Die Chatkontrolle-Achterbahn fährt in die nächste Schleife: Weil mehrere Länder weiterhin eine Sperrminorität bilden, wird das Thema beim EU-Ministertreffen am Donnerstag nur am Rande behandelt. Über den Verordnungstext, der eine gefährliche Massenüberwachung bringen würde, besteht weiter keine Einigkeit.
Beim Hin und Her um die Chatkontrolle im EU-Rat kann einem schon mal schwindlig werden. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / NurPhotoDie EU-Mitgliedstaaten konnten sich erneut nicht auf einen gemeinsamen Entwurf zur Chatkontrolle einigen. Entgegen vorheriger Planungen ist das Thema nun auch von der Tagesordnung der Sitzung der Justiz- und Innenminister:innen am Donnerstag geflogen. Auf der Tagesordnung steht nun nur noch ein „Fortschrittsbericht“. Das bestätigte auch ein Sprecher des EU-Rats gegenüber netzpolitik.org.
Schon in der letzten Woche war die Chatkontrolle bei der Sitzung der Ständigen Vertreter im EU-Rat von der Agenda genommen worden, nachdem die Niederlande angekündigt hatten, sich zu enthalten.
Dadurch steht eine hauchdünne Sperrminorität im Rat gegen die Chatkontrolle. Sie wird gebildet unter anderem von Österreich, Belgien, Tschechien, Deutschland, Polen und den Niederlanden. Diese Länder repräsentieren mehr als 35 Prozent aller EU-Einwohner:innen. Stimmen sie dem Verordnungstext nicht zu, kann dieser nicht angenommen werden. Die Verhandlungen um den Text gehen deshalb weiter, bis weitere Länder zustimmen.
Kein echter KompromissvorschlagVerhandelt wird derzeit der Verordnungstext vom 24. September (PDF), den das Medium „Contexte“ zuerst veröffentlicht hatte. Obwohl Ungarn den Text schon verändert hatte, bleiben die Grundprobleme der Chatkontrolle auch bei diesem Vorschlag bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, kommentiert: „Ungarn scheint weiter auf Zeit zu spielen, um Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben.“ Es sei jetzt wichtig, dass die Mitgliedstaaten, die sich bisher gegen die Chatkontrolle ausgesprochen haben, bei ihrer Position bleiben, so Eickstädt weiter. „Wir sollten nicht vergessen, dass Ungarn noch bis Mitte Dezember Zeit hat, um eine Ratsposition zu verabschieden. Wir dürfen uns nicht von dem ständigen Hin und Her abschrecken lassen, sondern müssen weiterhin wachsam bleiben.“
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der sogenannten CSA-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen automatisiert auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu melden. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen.
Jetzt versucht es Ungarn, das im zweiten Halbjahr 2024 die Ratspräsidentschaft innehat. Zuletzt hatte es vorgeschlagen, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei dem Vorschlag der Ungarn bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Immer mehr scharfe KritikDas Vorhaben der EU-Kommission steht deswegen weithin in der Kritik – nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. Jüngst hatten mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt vor der Verordnung gewarnt– auch in der ungarischen Version.
Scharfe Kritik übt auch die Gesellschaft für Informatik (GI): Der GI-Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit warnt vor dem neuen Anlauf der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Zudem hat sich auch die internationale Dachorganisation der Informatik-Gesellschaften Council of European Informatics Societies (CEPIS) explizit dem offenen Brief gegen die geplante Verordnung angeschlossen.
Kürzlich hat sich auch das Forschungszentrum Informatik (FZI), eine Gründung des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums und der Uni Karlsruhe, in einem Positionspapier gegen die Chatkontrolle (PDF) gestellt.
Als ein weiterer erklärter Gegner der Chatkontrolle hat sich auch der niederländische Geheimdienst AIVD bekannt: Die geplanten Anordnungen für Anbieter von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation seien ein zu großes Sicherheitsrisiko.
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Streit, verfehlte Zeitpläne, Gerichtsverfahren: Bei der Einführung von Bezahlkarten für Asylsuchende reihen sich seit einem Jahr unterschiedliche Probleme aneinander. Ein Ende ist nicht absehbar.
Eine einheitliche Lösung ist noch lange nicht in Sicht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / YAY ImagesVor einem Jahr hatten die Ministerpräsident:innen der Länder beschlossen, Bezahlkarten für Asylsuchende einzuführen. Seitdem gab es eine gemeinsame Ausschreibung von 14 Bundesländern und jeweils eine eigene von Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Und vor allem: Klagen, Verzögerungen, Diskussionen und Streit auf vielen Ebenen.
Diese Problem-Meldungen wurden nun unterbrochen von der Botschaft: Bald wird es losgehen, die bundesweite Vergabe ist geschafft. Doch ein Ende der Querelen ist damit nicht in Sicht. Eine Übersicht, was bisher passiert ist.
Startschuss im Oktober 2023Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2023 einigten sich die Regierungschef:innen darauf, Bezahlkarten einführen zu wollen. Im November vereinbarten sie, dafür bundesweite Standards zu erarbeiten. Die wurden durch eine Arbeitsgruppe bis Ende Januar 2024 erstellt und waren die Basis für eine bundesweite Ausschreibung, die im Februar startete.
Währenddessen hatten bereits einige Landkreise und Städte eigenständig Bezahlkarten eingeführt. Als Beispiele tauchen hier immer wieder Hannover und Greiz auf. Während die niedersächsische Landeshauptstadt dabei eine weitgehend einschränkungslose Variante wählte, setzte das thüringische Greiz auf maximale Kontrolle über die Leistungsbezieher:innen.
Doch während mancherorts schon Bezahlkarten im Einsatz waren, stritten die Ampelparteien im Bund über notwendige Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz. Dort schrieben sie die Bezahlkarte neben Geld- und Sachleistungen als Möglichkeit fest, den Bedarf Asylsuchender zu decken. Im Gesetz steht aber auch: Wenn Bedarfe nicht durch Bezahlkarten gedeckt werden können, müssen sie als Geldleistungen ausgezahlt werden. Im April einigten sich die Parteien und der Entwurf ging durch Bundestag und Bundesrat.
Diskussionen übers Bargeld-LimitDie Ministerpräsident:innen diskutierten derweil, wie viel Bargeld Asylsuchende mit den Karten noch abheben dürfen. 50 Euro pro volljähriger Person sollen es sein, beschloss die Konferenz der Länderchef:innen im Juni. Einstimmig war dieser Beschluss jedoch nicht: So gaben Thüringen, Bremen und Rheinland-Pfalz zu Protokoll, dass sie das starre Limit nicht für die beste Lösung halten.
Wie viel Geld Menschen mit den Bezahlkarten abheben können, ist nicht die einzige Beschränkung, die Verantwortlichen vorschwebt. Die ausgebenden Behörden können mit den Karten auch die räumliche Nutzbarkeit begrenzen, etwa auf den Wohnsitzlandkreis. In der Regel sind auch Überweisungen und Online-Käufe mit den Karten verboten und müssen einzeln von den Ämtern freigeschaltet werden.
Menschenrechtsverbände wie Pro Asyl kritisierten diese Beschränkungen von Beginn an als Einschränkung der Menschenwürde und Diskriminierung. Es gibt keine festen Belege dafür, dass die Gängelungen bei Sozialleistungen Flüchtende davon abhalten, nach Deutschland zu kommen. Doch das ist das immer wieder proklamierte Ziel von verantwortlichen Politiker:innen, die damit einen Law-and-Order-Kurs in der Asylpolitik bedienen.
Klagen vor SozialgerichtenStattdessen gefährden die eingeschränkten Karten das Existenzminimum für viele, die nun nicht mehr uneingeschränkt beispielsweise günstige Einkaufsmöglichkeiten auf Flohmärkten oder Kleinanzeigen-Portalen wahrnehmen können. Sie erschweren damit ebenso die Integration, wenn etwa eine Mitgliedschaft im Fußballverein an der Überweisung des monatlichen Beitrags zu scheitern droht.
Daher klagten mehrere Betroffene gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Pro Asyl vor mehreren Sozialgerichten in Deutschland. Die Entscheidungen in den Hauptverfahren stehen noch an, doch mehrere Eilverfahren waren erfolgreich: Die pauschalen Limits ließen sich im Fall der Kläger:innen nicht rechtfertigen und müssen auf individueller Basis beurteilt werden.
Das ist leicht nachvollziehbar: Eine Familie, die ein weiteres Kind erwartet, hat offenkundig einen anderen Bargeldbedarf als eine alleinstehende Person ohne besondere Herausforderungen. Wenn nun aber bei jeder Bezahlkarte das Bargeld-Limit per Einzelfallprüfung bestimmt werden muss, fällt eines der Argumente für die Karten – eine Entlastung der zuständigen Ämter – vollständig weg.
Die Ausschreibung stocktUngeachtet der politischen Diskussion und der Gerichtsurteile lief die Ausschreibung weiter. Der Zuschlag sollte ursprünglich im Juli erteilt werden, doch es kam zu Nachprüfungsverfahren. Unterlegene Bieter hatten Einspruch eingelegt. Das wies die zuständige Vergabekammer in Karlsruhe im August zwar zurück, doch der Prozess eskalierte daraufhin zum baden-württembergischen Oberlandesgericht.
Die dort anhängige Beschwerde wird nun am 18. Oktober verhandelt, aber in der Zwischenzeit konnte dennoch der Zuschlag erteilt werden. Das liegt daran, dass die aufschiebende Wirkung der Beschwerde endete und das Gericht einen entsprechenden Verlängerungsantrag ablehnte. Damit steht fest: Die Unternehmen rund um die „SocialCard“ bekommen den Auftrag.
Für die Beschwerdeführer der unterlegenen Firma PayCenter geht es also bei dem Verfahren lediglich noch um Schadensersatz – falls sie Erfolg haben sollten. Ist das Karten-Chaos damit beendet?
Der Vergabe-Streit geht weiterDas ist nicht abzusehen. In seiner Pressemitteilung zur Vergabe wies PayCenter auf ein weiteres mögliches Problem hin und nannte den bundesweiten Rahmenvertrag einen „Bärendienst für die Kommunen“. Denn die sind für die Einführung zuständig. Sie dürften jedoch, so die Auffassung des Unternehmens, die Leistung gar nicht abrufen.
In der Auftragsbekanntmachung stünden vor allem die 14 Bundesländer, die sich zusammengetan haben. Doch da in der Regel die Kommunen die Karten einführen, müssten diese explizit benannt sein. Sind sie aber nicht, so PayCenter. Es ist also möglich, dass weitere Klagen drohen, um eine entsprechende Vergabe an einführungswillige Kommunen zu verhindern.
Doch wie sehen die Städte und Kreise die Vergabe nun überhaupt? Wir haben bei mehreren Kommunen nachgefragt, die bereits vor der Entscheidung für die SocialCard Bezahlkarten anderer Anbieter eingeführt hatten, und wollten wissen, ob sie nun auf eine möglicherweise einheitliche Lösung umsteigen werden.
Kein Umstiegswille von KommunenEine Absage dafür kam aus dem brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland. Dort funktioniere alles mit dem bisherigen System, sagte der stellvertretende Landrat Friedemann Hanke gegenüber netzpolitik.org. Außerdem habe man sich bei der eigenen Beschaffung sowieso an den bundesweiten Standards orientiert. Einen Anlass, etwas zu ändern, sehe er daher nicht.
In Gera antwortete die Stadtverwaltung schriftlich ebenfalls, dass für die Stadt keine Notwendigkeit bestehe, den Dienstleister für Bezahlkarten zu wechseln. „Sollte es eine verbindliche, rechtskräftige Anweisung von Bund oder Land geben, besteht für uns jederzeit die Möglichkeit, den bestehenden Vertrag kurzfristig zu kündigen“, so eine Sprecherin. Abwarten will man auch in Bautzen. Derzeit sei nur der Name des neuen Anbieters bekannt und man könne daher noch nichts dazu sagen.
Eine Arbeitsgruppe der Länder will sich am 11. Oktober treffen, um die Einführung weiter zu besprechen. Doch bei den Kommunen, die noch keine eigenen Lösungen umgesetzt hatten, ist eine einheitliche Lösung nicht zu erwarten. Es ist zum einen unwahrscheinlich, dass überhaupt alle auf Bezahlkarten umsteigen wollen.
Unsicherheit und AufwandNach den öffentlichen Diskussionen und ersten Sozialgerichtsentscheidungen wankt außerdem die Bargeldgrenze, verbunden mit dem drohenden Verwaltungsaufwand individueller Entscheidungen. So will nun etwa die brandenburgische Landeshauptstadt Potsdam nach anfänglichen Zweifeln zwar doch die Bezahlkarten nutzen, jedoch vermutlich mehr Bargeld zur Verfügung stellen – auch als Reaktion auf die bisherigen Gerichtsentscheidungen. In einem Beschlussvorschlag dazu heißt es jedoch noch: „Die Rechtsentwicklung inklusive der daraus resultierenden Rechtsbindung der Kommunen bleibt abzuwarten.“
Auch wenn nun also ein gewünschter Anbieter für 14 deutsche Bundesländer feststeht: Ein Ende der gesellschaftlichen, politischen und juristischen Kämpfe um die Bezahlkarten ist damit noch lange nicht in Sicht.
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Die Ampel-Regierung hatte sich vorgenommen, die umstrittene Datensammlung über Fußball-Fans zu reformieren, doch verschob das Vorhaben wegen der EM. Nun zeigt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Wie bisher darf es nicht weitergehen.
Polizei im Stadion – ein vertrauter Anblick. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Sportfoto RudelDer 1. Oktober war ein guter Tag für organisierte Fußballfans – zumindest, wenn man ihren Anwält:innen glauben darf. Den Grund zum Jubeln lieferten diesmal nicht elf Spieler:innen in einem Stadion, sondern acht Richter:innen in Karlsruhe. Denn diese erklärten das Bundeskriminalamts-Gesetz für teilweise verfassungswidrig.
Mit dem Bundeskriminalamt kommen Fußballfans zwar selten in Kontakt, doch im BKA-Gesetz ist auch geregelt, wie Polizeibehörden aus Bund und Ländern Daten über das Fahndungssystem INPOL teilen. Als polizeiliches Verbundsystem enthält INPOL auch die umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“ (GTS), in der mindestens eine:r der Beschwerdeführer:innen gespeichert war.
Mit seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nun die Speicherpraxis für INPOL beanstandet. Es fehle „an einer angemessenen Speicherschwelle und ausreichenden Vorgaben zur Speicherdauer“, schreibt das Gericht in seiner Pressemitteilung zur Entscheidung.
Fanhilfen fordern AbschaffungStephanie Dilba, eine der fünf Kläger:innen, sagt: „Fußballfans wie ich werden nach diesem wichtigen Urteil hoffentlich nicht mehr so leicht in einer Polizeidatenbank landen.“ Dass ihre Daten dort gespeichert waren, habe sie belastet und stigmatisiert. „Bei jeder Polizeikontrolle hatte ich Herzklopfen“, schildert Dilba.
Das Urteil stärkt die Kritiker:innen der GTS-Datei, wie etwa die Fanhilfen. Fanhilfen sind juristische Beratungsstellen für organisierte Fans. Sie setzen sich seit Jahren für eine Abschaffung der Datensammlung ein. Eine Forderung, die Linda Röttig, Vorständin des Dachverbands der Fanhilfen, angesichts des Urteils wiederholt: „Diese umfangreiche Datensammlung ist nicht datenschutzkonform, mit dem heutigen Urteil erwiesen rechtswidrig und dringt tief in die Privatsphäre von Fußballfans ein.“
Keine Speicherung ohne NegativprognoseBijan Moini, Legal Director bei der GFF, präzisiert: Es sei nicht die gesamte Datei verfassungswidrig, sondern eine der Normen, auf deren Grundlage die Datei befüllt wurde. „Bislang wurden viele angebliche Gewalttäter in der Datei ‚Gewalttäter Sport‘ gespeichert, die einer Straftat lediglich beschuldigt, aber deswegen nie verurteilt wurden. Die Rechtsgrundlage dafür ist nun verfassungswidrig“, sagt Moini, der als einer von zwei Bevollmächtigten die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten hatte.
Moini verweist auch auf sofortige Konsequenzen für die Polizei. Zwar hat der Gesetzgeber Zeit bis Juli 2025, das Gesetz zu überarbeiten, allerdings gelten direkt einige Maßgaben des Gerichts. „Ab sofort kann die Polizei Beschuldigte nicht mehr einfach so speichern. Sie muss zusätzlich eine Negativ-Prognose erstellen, also begründen, warum von der zu speichernden Person auch zukünftig eine Gefahr ausgeht“, erklärt Moini.
Warum ist die GTS-Datei so umstritten?Die Datei „Gewalttäter Sport“ gibt es seit 1994, seit 2006 sind alle Polizeien der Länder und die Bundespolizei dabei. Die Datei wird von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Nordrhein-Westfalen verwaltet. Entgegen ihres Names sind in der Datei nicht nur verurteilte Gewalttäter:innen gespeichert. Es reichte (bisher) bereits ein Ermittlungsverfahren – selbst wenn gar nicht wegen Körperverletzung, sondern wegen Beleidigung oder Landfriedensbruch ermittelt wird.
Wie schnell man in der Datei landen kann, zeigt der Fall eines weiteren Klägers in Karlsruhe. Der betroffene Werder-Bremen-Fan ist laut der lokalen Fanhilfe 2010 als Tatverdächtiger einer Sachbeschädigung in der Datei „Gewalttäter Sport“ gelandet.
Zuvor soll jemand aus einem Werder-Fanbus mit einem Edding ein Graffiti hinterlassen haben, schildert die Grün-Weiße-Hilfe den Fall:
Die niedersächsische Polizei stoppte die Busse, nahm die Personalien aller mitfahrenden Werder-Fans auf und speicherte sie als Gewalttäter in der BKA-Datei ab. Für den Beschwerdeführer hatte dies zur Konsequenz, dass ihm einige Monate später auf dem Weg zum Champions-League-Spiel in Enschede von der Bundespolizei die Ausreise untersagt wurde.
Laut Grün-Weißer-Hilfe kippte das Verwaltungsgericht Köln das Ausreiseverbot zwei Jahre später.
Zu den eingetragenen Menschen speichert die Polizei teils viele persönliche Daten, etwa die Schuhgröße, Tattoos oder den Dialekt, wie der WDR 2021 berichtete. In den vergangenen Jahren ist die Zahl der eingetragenen Menschen in der GTS-Datei allerdings gesunken. Während zu Höchstzeiten über 13.000 Menschen dort gespeichert waren, waren es Ende 2023 noch etwas mehr als 5.600.
„Größe der Datei "Gewalttäter Sport"“ von Datawrapper anzeigenEs werden Daten an Datawrapper übertragen.
„Größe der Datei „Gewalttäter Sport““ direkt öffnen var _oembed_c99b5f7adc197134ece479968f08f7dd = '{\"embed\":\"<iframe title="Größe der Datei "Gewalttäter Sport"" aria-label="Interactive line chart" id="datawrapper-chart-LXpNW" src="https:\\/\\/datawrapper.dwcdn.net\\/LXpNW\\/1\\/" scrolling="no" frameborder="0" style="width: 0; min-width: 100% !important; border: none;" height="400" data-external="1"><\\/iframe><script type="text\\/javascript">!function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"]){var e=document.querySelectorAll("iframe");for(var t in a.data["datawrapper-height"])for(var r=0;r<e.length;r++)if(e[r].contentWindow===a.source){var i=a.data["datawrapper-height"][t]+"px";e[r].style.height=i}}}))}();<\\/script>\"}'; Was sind die politischen Konsequenzen?Eigentlich hatte die Ampel in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, die GTS-Datei „im Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit, Löschfristen, Transparenz und Datenschutz“ zu reformieren. Das Bundesinnenministerium (BMI) verschob die Reform aber auf die Zeit nach der EM, die im Sommer in Deutschland stattfand.
Während des Fußballturniers wurden 693 Menschen aus dem Ausland neu in der GTS-Datei gespeichert. Zudem wurde die GTS-Datei bei den Grenzkontrollen genutzt. Bei mehr als 1,6 Millionen Kontrollierten lagen für 87 Menschen Einträge in der GTS-Datei vor. Das ergab eine Kleine Anfrage des Abgeordneten André Hahn (Die Linke) im Bundestag.
Wann kommt nun die Reform? Auf diese Frage von netzpolitik.org weicht ein Sprecher des BMI aus. Die Thematik würde innerhalb der Gremienstruktur der Innenministerkonferenz besprochen. „Ziel ist es, auch mit den Erkenntnissen aus der Europameisterschaft 2024 weitere Schritte zu unternehmen, um die Datei Gewalttäter Sport zu evaluieren und fortzuentwickeln.“ Diese Evaluation würde aber noch andauern.
Zu den Auswirkungen des Urteils auf die Reform schreibt der BMI-Sprecher: „Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen. Wir können uns deshalb noch nicht näher äußern.“
Bayern wartet auf die Bewertung des BMIAuch aus den Landesregierungen kommen abwartende Reaktionen. Das Innenministerium NRW, durch seine ZIS für die Pflege der Datei verantwortlich, lies eine Anfrage unbeantwortet. Das bayerische Innenministerium, das aktuell auch turnusmäßig den Vorsitz der Sportministerkonferenz hat, schreibt auf Anfrage von netzpolitik.org, dass das BKA-Gesetz in die Zuständigkeit des BMI falle. „Schon aufgrund dieser Tatsache können und werden wir der dortigen Bewertung der Entscheidung nicht vorgreifen.“
Im September hatte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) noch ein härteres Vorgehen gegen Fußballfans gefordert. Herrmann brachte unter anderem einen Zwang zu personalisierten Tickets ins Spiel, ebenso wie Punkt-Abzüge und den Ausschluss von Zuschauer:innen als Strafe für Pyrotechnik-Einsätze.
Wie sie mit dem Urteil umgehen, könnten die Sport- und Innenminister:innen zeitnah diskutieren. Am 18. Oktober findet ein Treffen zum Thema „Gewalt im Fußball“ statt, mit dabei sind auch Verantwortliche von DFL und DFB. Am 7. und 8. November tagen zudem die Sportminister:innen. Laut bayerischem Innenministerium steht die Tagesordnung für beide Veranstaltungen noch nicht fest.
Update, 9. Oktober: Inzwischen hat das Innenministerium aus NRW geantwortet. Änderungen an der Datei seien nicht erforderlich, schreibt das Ministerium. Das Urteil betreffe Speicherungen des BKA in Verbunddateien. Speicherungen der Länder in Verbunddateien seien daher vom Urteil nicht direkt betroffen. „Zudem erfolgen Speicherungen in der Datei „Gewalttäter Sport“ bereits jetzt nach den Maßgaben, welche das Bundesverfassungsgericht […] erteilt hat“, schreibt ein Sprecher. Schon jetzt sei eine Negativ-Prognose für eine Speicherung erforderlich.
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Die 40. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 14 neue Texte mit insgesamt 82.513 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.
– Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz ŚmigielskiLiebe Leser:innen,
das wohl bedeutendste Ereignis diese Woche war das Bundesverfassungsgerichtsurteil zum BKA-Gesetz. Wenig überraschend heißt es mal wieder: Teile davon sind verfassungswidrig und müssen nachgebessert werden. Unter anderem geht es darum, dass Leute zu leicht in Polizeidatenbanken landen.
Klar, ein solches Urteil ist ein Erfolg für Grund- und Freiheitsrechte. Aber auf der anderen Seite frage ich mich jedes Mal, ob wir uns zu sehr daran gewöhnt haben, dass Karlsruhe es schon richten wird. Vorratsdatenspeicherungen, BND-Gesetze, Polizei- und Verfassungsschutzgesetze verschiedener Couleur fallen immer wieder vor den Karlsruher Richter:innen durch. Dann werden sie „nachgebessert“ und landen einige Jahre später wieder vor Gericht. Das Spiel wiederholt sich.
„Es hilft niemandem, wenn Sie heute ein Gesetz machen, was morgen in Karlsruhe kassiert wird“, hatte die neue Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider zum geplanten sogenannten Sicherheitspaket der Bundesregierung gesagt. Die will jetzt immerhin nochmal nachbessern und auch das aktuelle Urteil berücksichtigen. Aber dass offensichtlich verfassungswidrige Regelungen auf den Weg gebracht und verabschiedet werden, sehen wir leider viel zu häufig.
Es ist gut, dass hartnäckige Grundrechteverteidiger:innen unermüdlich gegen solche Gesetze vorgehen. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, dass es solche Gesetze besser gar nicht erst geben würde. Daher sollten wir beim Sicherheits- beziehungsweise Überwachungspaket nicht müde werden, auf die Probleme hinzuweisen – bevor Karlsruhe wieder ran muss.
Und auch ein weiterer Punkt macht mich manchmal nachdenklich: Was in Karlsruhe landet, wird an den äußersten Schranken der Verfassung beurteilt und nicht daran, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Dabei würde ich mir wünschen, dass wir nicht nur Verfassungsbrüche verhindern und das Maß des gerade noch Zulässigen ausloten, sondern unser Zusammenleben auf Basis dessen gestalten, was wir uns wünschen. Das wäre doch auch mal was.
Ein gutes Wochenende wünscht euch
anna
Breakpoint: TikTok ist schuld, oder?Warum ist die AfD gerade bei jungen Wähler:innen so erfolgreich? Politische Kommentator:innen suchen den Grund oft in Sozialen Medien. Doch das greift zu kurz und verkennt den Kern des Problems, findet unsere Kolumnistin. Von Carla Siepmann –
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Was tun mit der von Riesen dominierten Digitalwirtschaft? Zerschlagen und von vorne anfangen. Das fordert eine internationale Koalition von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie will an die Stelle der Monopolisten eine öffentliche Infrastruktur auf Basis quelloffener Software setzen. Von Maximilian Henning –
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Das Landgericht Hamburg hat die Klage eines Fotografen abgewiesen, der sich dagegen gewehrt hatte, dass eines seiner Fotos vom gemeinnützigen Verein LAION zum Training sogenannter Künstlicher Intelligenz angeboten wird. Als Forschungseinrichtung sei LAION dies erlaubt. Dabei verschenkt der Verein seine Daten auch an kommerzielle KI-Unternehmen. Von Martin Schwarzbeck –
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Ungarn hofft darauf, dass sich die EU-Mitgliedstaaten bei der Chatkontrolle einig werden. Sollte dies passieren, droht die Chatkontrolle in ihrer schlimmsten Form: Auch verschlüsselte interpersonelle Kommunikation würde gescannt werden, wenn der Vorschlag sich durchsetzt. Von Markus Reuter –
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Wen juckt es denn, ob ich WhatsApp nutze oder nicht? Können wir jetzt weitermachen? Nein. Das Private ist politisch. Von Gastbeitrag, Daniel Guagnin –
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SPD-Mitglieder distanzieren sich vom Kurs der Partei in der Migrationspolitik. Jetzt bekommen sie Unterstützung von weiteren Bundestagsabgeordneten: „Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch.“ Von Chris Köver –
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Das Bundesverfassungsgericht stärkt das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und kassiert Teile des BKA-Gesetzes: Die Regelungen zur weitgehenden Bevorratung von Daten in der Polizeidatenbank INPOL sind teilweise verfassungswidrig. Künftig darf das BKA auch nicht mehr heimlich bloße Kontaktpersonen überwachen. Von Constanze –
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Gute Nachrichten für Gegner:innen der Chatkontrolle: Die Niederlande sind gegen den neuen Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft und haben eine Enthaltung angekündigt. Damit könnte die umstrittene Verordnung ein weiteres Mal im EU-Rat durchfallen. Von Markus Reuter –
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Die Mitgliedstaaten der EU sind sich weiterhin nicht einig über die Chatkontrolle. Eine Sperrminorität im Rat hat zum wiederholten Male dazu geführt, dass das Thema von der Tagesordnung genommen wurde. Derweil melden sich noch mehr Kritiker der Chatkontrolle zu Wort. Von Markus Reuter –
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Das Bundeskartellamt stellt Microsoft unter erweiterte Missbrauchsaufsicht und legt den Grundstein dafür, den Tech-Riesen künftig in die Schranken zu weisen. Der Entscheidung war unter anderem eine Beschwerde des Softwareherstellers Nextcloud vorausgegangen. Von Esther Menhard –
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Der Europäische Gerichtshof hat der Datenverarbeitung für Werbezwecke neue Grenzen gesetzt. Auch diese Informationen unterliegen der Datenminimierung. Mit der häufigen Datenspeicherung für die Ewigkeit ist das unvereinbar. Von Anna Biselli –
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Politische Edits stilisieren Menschen zu mächtigen Symbolfiguren. Auf Kosten von Inhalten bringen die starken Bilder der Edits Millionen von Klicks und transportieren dabei gefährliche Botschaften. Von Vincent Först –
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Die Parole „From the River to the Sea“, entsprechende Kommentare oder Likes können laut Bundesinnenministerium dazu führen, dass Menschen keinen deutschen Pass bekommen. So steht es in einem Weisungsdokument mit Empfehlungen für Ausländerbehörden. Doch am Ende bleibt es Auslegungssache. Von Chris Köver –
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Unternehmen, Behörden, Ex-Partner:innen: Angriffe auf deine Privatsphäre können aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Digitale Selbstverteidigung nennt sich die Kunst, solche Angriffe abzuwehren. Was du dafür tun kannst, darüber sprechen wir in dieser Folge. Von Chris Köver –
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Unternehmen, Behörden, Ex-Partner:innen: Angriffe auf deine Privatsphäre können aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Digitale Selbstverteidigung nennt sich die Kunst, solche Angriffe abzuwehren. Was du dafür tun kannst, darüber sprechen wir in dieser Folge.
Leg Angreifer:innen auf die Matte. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Joshua Jamias
https://netzpolitik.org/wp-upload/2024/10/OTR-24-10-Martin.mp3
Ihr habt gar nichts zu verbergen? Macht nichts, Privatsphäre ist ein Recht, das für alle gilt. Aber wie hält man unliebsame Beobachter nun raus aus seinen privaten Chats, Fotos, Bewegungsdaten und Festplatten? Digitale Selbstverteidigung nennt sich diese Kampfkunst, es ist die Abwehr von Angriffen, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen auf euch zukommen können. Mal sind es Unternehmen, die an eure Daten wollen, mal Ex-Partner:innen, staatliche Behörden oder Kriminelle.
Unser Kollege Martin hatte selbst Fortbildungsbedarf und ist dafür bei den Großmeistern der digitalen Selbstverteidigung in die Lehre gegangen. Er sprach mit Cryptoparty-Aktivist:innen, mit Sicherheitsforscher:innen und Fachleuten für Gesichtserkennung. Welche Ratschläge sie gaben, was davon wie leicht oder schwer umzusetzen ist und wie das sein eigenes Verhalten verändert hat, das berichtet Martin in dieser Folge.
Außerdem geht es auch um Martin selbst und seine Vergangenheit als Reporter bei einem Stadtmagazin, in der unter anderem die Begegnung mit Waschbären einen Schlüsselmoment markierte.
In dieser Folge: Martin Schwarzbeck und Chris Köver.
Produktion: Serafin Dinges.
Titelmusik: Trummerschlunk.
Hier ist die MP3 zum Download. Wie gewohnt gibt es den Podcast auch im offenen ogg-Format.
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Die Parole „From the River to the Sea“, entsprechende Kommentare oder Likes können laut Bundesinnenministerium dazu führen, dass Menschen keinen deutschen Pass bekommen. So steht es in einem Weisungsdokument mit Empfehlungen für Ausländerbehörden. Doch am Ende bleibt es Auslegungssache.
Pro-palästinensische Demonstrant:innen in Berlin. – Alle Rechte vorbehalten IMAGOSeit Juni gilt das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das die Ampel bereits im Koalitionsvertrag angekündigt hat. Es bringt einige Erleichterungen: Menschen, die ihren Lebensunterhalt verdienen und die Sprache gut sprechen, können schon nach fünf statt acht Jahren einen deutschen Pass beantragen. Sie müssen dazu nicht mehr ihre alte Staatsangehörigkeit aufgeben.
Zugleich hat die Bundesregierung die Anforderungen verschärft, vor allem, was das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung angeht. „Hier gilt: Rassismus, Antisemitismus oder jede andere Form von Menschenfeindlichkeit schließen eine Einbürgerung aus“, schreibt das Bundesinnenministerium auf seiner Seite. Solche Handlungen seien mit Artikel 1 des Grundgesetzes unvereinbar: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Unvereinbar mit Bekenntnis zur VerfassungDoch wie sollen Ausländerbehörden, die für die Einbürgerung zuständig sind, das in Zukunft überprüfen? Das Bundesinnenministerium hat dazu eine Hilfestellung erstellt. Sie ist inzwischen auf der Transparenzplattform FragDenStaat öffentlich.
In dem Dokument, über das NDR Panorama zuerst berichtete, steht auch eine Liste von Handlungen, die Anhaltspunkte dafür liefern, dass die besondere historische Verantwortung Deutschlands für den Schutz jüdischen Lebens nicht aufrichtig bejaht wird. Genannt wird hier neben der Leugnung des Holocausts auch die Aussage „From The River to the Sea“, gegebenenfalls mit dem Zusatz „Palestine will be free“. Die Aussage könnte unvereinbar sein mit einem Bekenntnis zur deutschen Verfassung, steht in dem Dokument – und damit der Einbürgerung entgegenstehen.
„From The River to the Sea“ ist eine pro-palästinensische Parole, die im Kontext des Israel-Palästina-Konflikts entstanden ist. Gemeint ist das Gebiet zwischen dem Fluss Jordan und dem Mittelmeer, das heutige Staatsgebiet von Israel und den palästinensischen Gebieten.
Verboten oder nicht?Um die Parole tobt seit dem Terrorangriff der Hamas im Oktober 2023 ein politischer Streit. Das Bundesinnenministerium hatte sowohl Hamas als auch Parole Anfang November per Verfügung verboten. Der Ausspruch sei der Hamas zuzuordnen. Wer ihn verwende, nutze automatisch das Kennzeichen einer Terrororganisation. Seitdem setzen Behörden die Parole ein, um Demonstrationen zu verbieten oder Hausdurchsuchungen bei palästina-solidarischen Aktivist:innen anzuordnen.
Andere berufen sich darauf, dass die Bedeutung nicht eindeutig sei. Handelt es sich um einen Aufruf zur Vernichtung Israels? Oder ist mit dem Slogan das Recht der Palästinenser:innen auf ein Leben in Würde und Freiheit gemeint, im Gazastreifen, dem besetzten Westjordanland und Ost-Jerusalem?
Auch von Gerichten wird die Auslegung des BMI sehr unterschiedlich beurteilt. Ende Mai urteilte das Landgericht Mannheim: Die Parole sei kein Kennzeichen der Hamas. Sie habe eine komplexe Geschichte und liefere keinen Hinweis, auf welche Weise das historische Palästina befreit werden solle. Die Äußerung sei von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Kurz darauf entschied ein Verwaltungsgerichte in Baden-Württemberg anders und nannte die Parole Kennzeichen der Hamas und der verbotenen Organisation Samidoun. Die Rechtslage bleibt damit weiter unklar.
„Unmittelbar kommentierender Zusammenhang“In Deutschland sind die Länder für Einbürgerungen zuständig. Die Verfahren werden von den Ausländerbehörden in der jeweiligen Region durchgeführt. Die Anwendungshinweise aus dem BMI dienen dabei als Leitfaden und sollen sicherstellen, dass die Verfahren bundesweit einheitlich durchgeführt werden. Sie sind aber nicht rechtlich bindend.
Auf die Frage, ob die Parole vor dem Hintergrund der Gerichtsurteile zur Grundlage dafür werden kann, eine Einbürgerung zu verweigern, antwortete ein Sprecher des BMI, der Zusammenhang sei entscheidend.
Aussagen wie „From the River to the Sea“ könnten für die Einbürgerung relevant sein, „soweit sie in Zusammenhang stehen mit einem ausdrücklichen Aufruf zu gewaltsamen Handlungen gegen den Staat Israel, insbesondere bei Forderungen nach einer Auslöschung Israels beziehungsweise der Errichtung eines rein palästinensischen Staates auf dem heutigen Gebiet des Staates Israel.“ Dies könne angenommen werden bei einem konkreten Bezug zu Hamas oder einem „unmittelbar kommentierendem Zusammenhang mit dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023“.
Wird eine solche Aussage bekannt, sollte die Ausländerbehörde in einem Gespräch klären, ob dahinter eine antisemitische Einstellung besteht, so die Empfehlung aus dem Ministerium. Danach soll die Behörde in einer Gesamtschau aller Aussagen der Person und Begleitumstände bewerten, ob das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung glaubhaft sei.
In den Anwendungshinweisen des BMI wird erläutert, was in diesem Zusammenhang bereits als „Handlung“ zu werten ist. „‚Handlungen‘ sind jedes beherrschbare menschliche Verhalten, einschließlich mündlicher oder schriftlicher Äußerungen, in Deutsch oder in anderen Sprachen“, heißt es dort, „auch im öffentlich sichtbaren Teil sozialer Netzwerke.“ Als Beispiele listet das Dokument „Nutzung der Kommentarfunktion, der Funktion ‚Gefällt mir‘ (‚Like‘), der Nutzung eines Profilbildes, des Einstellens (‚Posten‘) oder des Verbreitens beziehungsweise Teilens von Beiträgen, die aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts antisemitischen, rassistischen und sonstig menschenverachtenden Inhalt haben.“
Ausweisung schon nach einem Like
Auch Ausweisung nach Kommentaren möglichDie Weisung bedeute noch nicht, dass eine Einbürgerung tatsächlich scheitert, sagt der auf Ausländerrecht spezialisierte Rechtsanwalt Matthias Lehnert: „Ein Verwaltungsgericht kann überprüfen, ob die Ablehnung einer Einbürgerung wegen der Parole rechtmäßig ist oder nicht.“ Problematisch sei eine solche Vorgabe in jedem Fall, weil sie tiefgreifend die Meinungsfreiheit tangiert.
Ende Juni hatte die Bundesregierung bereits auf Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Gesetzentwurf beschlossen, der Ausweisungen vereinfachen soll. Auch hier ging es um Äußerungen und Handlungen auf Sozialen Medien. In Zukunft soll demnach schon ein Kommentar oder ein Like im Netz als „Verbreitung von Inhalten“ gewertet werden und ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründen.
Fachleute wiesen anschließend darauf hin, dass die geplante Verschärfung eher symbolischer Natur sei. Ausländerbehörden könnten Personen schon heute wegen ihrer Aktivitäten in den Sozialen Medien ausweisen, etwa wenn diesen vorgeworfen wird, Terror zu billigen.
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Politische Edits stilisieren Menschen zu mächtigen Symbolfiguren. Auf Kosten von Inhalten bringen die starken Bilder der Edits Millionen von Klicks und transportieren dabei gefährliche Botschaften.
Die Inszenierung erschafft neue Bilder. – Public Domain generiert von Vincent Först mit MidjourneyEigentlich tanzte die Schauspielerin Jenna Ortega in ihrer Rolle als Wednesday Addams in der gleichnamigen Fernsehserie zum Song „Goo Goo Muck“ von den Cramps. Eine TikTok-Nutzerin kürzte die Szene auf wenige Sekunden und tauschte die Musik gegen eine schnellere Version von Lady Gagas „Bloody Mary“. Der Edit wird hundertvierzig Millionen Mal geklickt – „Wednesday“ bricht alle Rekorde und Ortega ist weltweit bekannt.
Eine Geschichte, wie sie TikTok beinahe täglich schreibt, und die beweist, dass Edits heute eines der wichtigsten Instrumente der Inszenierung auf sozialen Medien sind. Durch einfache Effekte wie schnelle Schnitte und gezielte Musikauswahl können Edit-Ersteller:innen Inhalten zusätzliche Bedeutung geben. Bisher verhalfen Edits Serien, Filmen und Menschen zu immenser viraler Prominenz. Sie können als Kunstform interpretiert werden oder propagandistischen Zwecken dienen.
Das haben Politiker:innen und Aktivist:innen, die das noch relativ junge Format für ihre Ziele nutzen, unlängst erkannt. Leider gewinnen im Spiel um Aufmerksamkeit nur diejenigen, die sich besonders gut vor der Kamera präsentieren und die Edit-kompatibel sind. Politik wird so zunehmend zu einem für die sozialen Medien aufbereiteten Spektakel, was die nahenden Wahlen in den USA zeigen – mit problematischen Konsequenzen.
Was sind Edits?Die Journalistin Jules Terpak definiert Edits als „Compilation videos, typically set to music, that convey a narrative about a person, place, thing or topic.“ Diese Erzählungen würden unsere höheren kognitiven Funktionen umgehen und direkt auf die Bereiche unseres Gehirns zielen, in denen Emotionen verarbeitet werden: „where we laugh, where we sing and where we cry.“
Die Technik wird zunehmend auch im politischen Bereich eingesetzt, wo Creator:innen geschickt Politiker:innen in Szene setzen. Sie bescheren den gezeigten Personen mit ihren Edits „Mic-Drop“-Momente: dramatische Auftritte, die sich an einem einzelnen Satz oder einer Geste des Gezeigten orientieren, bevor sie mit einem dazu passenden Musikwechsel in eine vorteilhafte Bilder- oder Videosequenz übergehen. Von Donald Trump und Barack Obama existieren viele Edits dieser Art, die auch häufig dieselben Songs nutzen, zum Beispiel „Telescope“ von TWXN in einer langsameren Version.
Dieser Song bietet sind durch den Refrain an, der nach einem medialen Schlüsselmoment einsetzt. „They know I’m a big boss“ ertönt dann etwa, als Trump nach dem fehlgeschlagenen Attentat die Faust nach oben reckt. Für den nötigen patriotischen Effekt fügen die Ersteller:innen oft den Ruf des amerikanischen Adlers bei wichtigen Übergängen ein, etwa nach dem „We own the finish line“-Zitat aus einer Biden-Rede, gefolgt von Kurzclips amerikanischer Kampfflugzeuge im Einsatz.
Edits lassen sich relativ einfach und ohne großen Aufwand erstellen. Editing-Software wie Capcut stellt dafür Vorlagen zur Verfügung. Creator:innen müssen dann nur noch ihr eigenes Material in diese Vorlagen einfügen. Das führt einerseits zu einer Demokratisierung des politischen Aktivismus, andererseits können populistische Inhalte so sehr schnell ein Millionenpublikum erreichen.
Satirische Polit-Edits, wie ein Clip, der Alice Weidels Zugehörigkeit zur LGBTQ-Bewegung suggeriert, sind eher selten. Bisher versuchen nur wenige Content Creator:innen wie „us.edits.flop“, größere politische Zusammenhänge herzustellen.
Politischer Content als ProduktDer virale Erfolg und die Reichweite der politischen Edits stacheln vormals unpolitische Content Creator:innen an, politischen Content zu erstellen. So findet sich auf einem TikTok-Account zwischen Edits über das kommende Videospiel „Grand Theft Auto 6“ oder den Musiker „Tyler, the Creator“ auch ein einzelner Edit von Trump, der mit 3,6 Millionen Aufrufen das mit Abstand erfolgreichste Video des Accounts ist. Der Creator fragt in der Caption unbedarft: „Should i do more edits like this?“
Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei den sogenannten „Live Matches“ erkennen, in deren Rahmen Teenager – häufig ohne Vorkenntnisse – politische Debatten auf TikTok führen und sich von den Zuschauer:innen dafür bezahlen lassen. Die jungen „political battlers“, die jeweils Demokraten oder Republikaner vertreten, verdienen so mitunter Tausende Dollar im Monat.
Auch bei den US-amerikanischen National Conventions, in deren Rahmen die Parteien ihre Kandidat:innen für das Amt des Präsidenten und des Vizepräsidenten nominieren, spielten dieses Jahr Content Creator:innen eine wichtige Rolle als Werbeträger:innen. Für die Democratic National Convention hat die Partei rund 200 Social-Media-Stars eingeladen und regelrecht hofiert. Neben einer eigens für sie ausgerichteten „Creators for Kamala Yacht Party“ durften ausgewählte Creator:innen exklusive Interviews mit Parteigrößen führen, darunter mit Kamala Harris selbst.
Auf der Republican National Convention waren neben Stars wie Hulk Hogan oder Kid Rock immerhin mehr als 70 Content Creator:innen anwesend. Sowohl für die Parteien als auch die Content Creator:innen ist das von Vorteil. Denn Content von beziehungsweise über Harris und Trump ist ein beliebtes Produkt auf sozialen Medien.
Trump war bereits vor seiner Amtszeit als Präsident eine prominente Figur und hat den Umgang mit den Medien, insbesondere Twitter, perfektioniert. Mit Harris Erfolg als Meme-Figur haben auch die Demokraten einen immens erfolgreichen Start ihrer digitalen Wahlkampfkampagne hingelegt.
Virale Kampagnenarbeit durch Creator:innenSeit ihrer Nominierung profitiert Harris enorm von den sozialen Medien. Ihr wohl bekanntestes Fan-Edit hat auf TikTok 23 Millionen Aufrufe und knapp fünf Millionen Likes. KamalaHQ, der offizielle TikTok-Kampagnenkanal der Präsidentschaftskandidatin, produziert inzwischen auch eigene Edits. Ein Edit nimmt konkret Bezug auf Trump. Dort heißt es: „The difference is – I’m not mid”.
Harris Tanzeinlagen, Zitate und ihr herzliches Lachen lassen sich gut auf den sozialen Medien verarbeiten. Trump bedient die Plattformen mit seinen knalligen Sprüchen und eingeöltem Bühnencharisma. Die Attribute beider Politiker:innen sind hervorragend für Edits geeignet. Wer starke Bilder liefert, ist in Konsequenz für Creator:innen interessant, die Reichweite generieren wollen. Die Gezeigten kommen wiederum in den Genuss kostenloser und effizienter Kampagnenarbeit seitens der Creator:innen, die in der Regel relativ positiv und unkritisch bleibt.
Politiker:innen haben daher Vorteile davon, wenn sie an der eigenen Editability arbeiten. Das ist zeitgenössische „Image-Pflege“. Wer die passenden Dinge tut und sagt, die gut in zurechtgeschnittene Edits passen, wird mit Aufmerksamkeit belohnt. Terpak bezeichnet diese neue mediale Pflicht der Politiker:innen als „creating blank canvas moments for editors, commentators and others on the internet to run with“.
Werbung als VorbildWenn die Supermarkt-Kette Edeka in einem viralen Werbespot einen sympathischen Opa erst seinen eigenen Tod vortäuschen lassen muss, damit die auf der ganzen Welt verstreute High-Performer-Familie – Arzt, Geschäftsmann und Hausfrau mit Kindern – endlich an Weihnachten zum gemeinsamen Festessen zusammenkommt, will sie ihren Kund:innen suggerieren, die Marke Edeka stehe für Nächstenliebe, Familienglück und beruflichen Erfolg.
Hinter dem vermittelten Symbolwert verschwimmt das, was Edeka eigentlich ist: ein Supermarkt mit einer nur geringfügig anderer Produktauswahl als die Konkurrenz. So wie Werbung respektive Public Relations gute Geschichten braucht, allgemein als „Storytelling“ bekannt, brauchen die politischen Edits Schnitt, Komposition und die passende musikalische Untermalung, um auch alte Herren wie Trump und Biden ins rechte Licht rücken zu können.
Politische Edits und Werbung hübschen mit verherrlichenden Bildern und starken Emotionen ihre Produkte auf. Diese Effekte sind nötig, ohne sie wäre das Gezeigte viel weniger interessant. Letztendlich sind die politischen Edits also kleine Werbefilme mit Signalwirkung, die mit den Techniken des Marketings arbeiten.
Denn zwischen dem Werbespot von Edeka und einem Kawaii-Edit (japanisch für „niedlich“) von Trump mit Anime-Schnurrhaaren, der auf einer Wahlkampfveranstaltung einen kleinen Jungen auf den Armen hält und fragt, ob der Junge zurück zu seinen Eltern oder bei Trump bleiben will – der Junge sagt schüchtern „Trump“ ins Mikrofon – besteht also eine gewisse Ähnlichkeit. Es handelt sich um Effekthascherei, die durch hochemotionale Bilder Werte vermittelt, die nichts mit der Realität zu tun haben.
Plattformen und Populismus gehen Hand in HandNun sind soziale Medien für emotionalisierende – und im politischen Kontext populistische – Botschaften geschaffen. TikTok behauptet zwar nach außen, seine Mission sei, „Kreativität zu inspirieren und Freude zu bringen“. Aber das wirtschaftliche Ziel besteht darin, die Nutzer:innen so lange wie möglich auf den Plattformen zu halten, um möglichst viel Geld mit Werbung zu verdienen. Denn die Plattformen sind in erster Linie Werbeträger, ihre bevorzugten Kund:innen sind nicht die Nutzer:innen, sondern Unternehmen.
Was erregt, klickt gut und fesselt die Nutzer:innen an den Bildschirm, zum Wohle der Werbung. Die Struktur der Plattformen beeinflusst so indirekt die öffentlichen Auftritte und das Verhalten der Politiker:innen. Politische Edits müssen deshalb kritisch auch als ein PR-Tool verstanden werden – das hat rechte Politik längst erkannt. In der überreizten Atmosphäre der sozialen Medien gewinnt die Politik der Gefühle, nicht der Sachlichkeit und wertvollen Inhalte. Ruhige und überlegte Stimmen haben in Zukunft noch weniger Chancen, gehört zu werden – und auch hierzulande flimmern bereits die ersten Edits von Björn Höcke und Co. über die Bildschirme.
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Der Europäische Gerichtshof hat der Datenverarbeitung für Werbezwecke neue Grenzen gesetzt. Auch diese Informationen unterliegen der Datenminimierung. Mit der häufigen Datenspeicherung für die Ewigkeit ist das unvereinbar.
Max Schrems hat schon viele Verfahren gegen Meta angestrengt.Meta darf nicht einfach alle möglichen personenbezogenen Daten nutzen, um personalisierte Werbung auszuspielen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Freitag bestätigt. Der Entscheidung zu Grunde lag ein Fall, den Max Schrems von der Datenschutzorganisation noyb vor ein österreichisches Gericht gebracht hatte. Der österreichische Oberste Gerichtshof hatte daraufhin den EuGH gebeten, gewisse Fragen zur Datenschutzgrundverordnung auszulegen.
In der Entscheidung des EuGH geht es um zwei grundsätzliche Fragen. Die erste: Wie steht es mit der Datenminimierung bei Werbezwecken? Schrems hatte bemängelt, dass Meta alle möglichen personenbezogenen Daten für Werbung nutzt, ohne das zeitlich einzuschränken und die Daten irgendwann zu löschen. Seiner Ansicht nach müssten Daten regelmäßig gelöscht werden, selbst wenn eine Person prinzipiell in personalisierte Werbung eingewilligt hat.
Der EuGH folgt dieser Argumentation und sagt, dass es nicht mit dem Grundsatz der Datenminimierung vereinbar ist, wenn ein Plattformbetreiber alle personenbezogenen Daten „zeitlich unbegrenzt und ohne Unterscheidung nach ihrer Art für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet“.
Katharina Raabe-Stuppnig, Schrems Anwältin, sieht das als Bestätigung. Laut einer Pressemitteilung von noyb sagt sie: „Nach diesem Urteil darf nur ein kleiner Teil des Datenbestands von Meta für Werbezwecke verwendet werden – selbst wenn die Nutzer der Werbung zustimmen.“
Urteil mit Wirkung für die ganze BrancheDie zweite Frage drehte sich um die Verarbeitung sensibler persönlicher Daten, hier die sexuelle Orientierung von Personen. Seine eigene hatte Schrems bei einer Podiumsdiskussion offengelegt, verbunden mit einer Kritik an Facebook, wo er seine sexuelle Orientierung gerade nicht angegeben hatte. Doch berechtigt das Meta, daraufhin für Werbezwecke weitere personenbezogene Daten zu verarbeiten, die sich darauf beziehen? Weil die Information an anderer Stelle öffentlich geworden ist? Nein, sagt der EuGH.
Raabe-Stuppnig fasst zusammen: „Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil, auch wenn dieses Ergebnis durchaus zu erwarten war.“ Es dürfte nicht nur Meta betreffen, sondern alle, die Werbedaten verarbeiten, ohne sie zeitlich zu begrenzen. Laut dem Digitalbranchen-Verband Bitkom könne dies „erhebliche Konsequenzen“ für die Digitalwirtschaft haben.
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Das Bundeskartellamt stellt Microsoft unter erweiterte Missbrauchsaufsicht und legt den Grundstein dafür, den Tech-Riesen künftig in die Schranken zu weisen. Der Entscheidung war unter anderem eine Beschwerde des Softwareherstellers Nextcloud vorausgegangen.
Kartellamts-Chef Andreas Mundt könnte demnächst schneller aktiv werden, wenn Microsoft seine Marktmacht missbraucht. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO/epdNach Google, Meta, Apple und Amazon wird das Bundeskartellamt (BKartA) nun gegen Microsoft aktiv. In einem Verfahren hat das Amt dem IT-Konzern aus Redmond eine „überragende marktübergreifende Bedeutung“ attestiert und es unter erweiterte Missbrauchsaufsicht (PDF) gestellt. Damit hat das BKartA die Voraussetzung dafür geschaffen, künftig leichter gegen wettbewerbsgefährdende Praktiken des Unternehmens vorzugehen.
Kartellamts-Präsident Andreas Mundt begründet die Entscheidung der Behörde damit, dass Microsofts Ökosystem dominierender sei als je zuvor. „Denn über alle Bereiche wölben sich zunehmend Cloud und Künstliche Intelligenz, Schlüsseltechnologien, in denen Microsoft durch eigene Entwicklungen und durch Kooperationen seine starke Position untermauert hat.“
In Wirtschaft und Verwaltung, aber auch bei privaten Nutzer:innen seien Microsoft-Produkte inzwischen Standard. Mundt stellt dabei auf den Vendor-Lockin-Effekt ab. Microsofts IT bevorzuge nämlich bestimmte Anwendungen, die mit dem Ökosystem des Herstellers kompatibel sein müssen. Damit gebe der Tech-Riese auch den Rahmen für Softwareentwicklung vor, die sich an Microsoft orientieren müsse, damit Betriebe das jeweilige Produkt in ihr MS-System integrieren können. Dabei konkurrieren einzelne Microsoft-Produkte nicht selten mit dieser Software von Drittanbietern.
Kartellamt geht weiter als der Digital Marktes ActSeine Marktmachtstellung stärke Microsoft seit vielen Jahren nicht nur mit dem Betriebssystem Windows, sondern auch mit „Produktivitätssoftware“ wie Microsoft 365. Führend sei das Unternehmen auch mit seiner Cloud-Technologie Azure wie auch bei sogenannter Künstlicher Intelligenz mit Microsoft Copilot. Dazu kooperiert es mit dem KI-Unternehmen OpenAI.
Dazu greift es auch auf die Taktik zurück, Software im Paket anzubieten, wie das Videokonferenztool Teams, das Microsoft mit Office 365 und Microsoft 365 ausgeliefert hat. Seit einem Jahr ermittelt die Europäische Kommission deswegen gegen Microsoft. Zwar hat das Unternehmen Teams aus den Paketen herausgelöst, das geht der Kommission jedoch nicht weit genug. Denn Teams ist Teil des Abos von MS-Produktivanwendungen wie Office. Kund:innen können nicht wählen, ob Teams im Abo enthalten sein soll oder nicht.
Indes stellt das Kartellamt klar, seine Entscheidung betreffe den Microsoft-Konzern im Ganzen, also alle Dienste und Produkte. Hier sieht Mundt einen Vorteil gegenüber dem europäischen Digital Markets Act (DMA), der beginnend mit dem Vorjahr schrittweise in Kraft getreten ist. Mit dem Gesetz will die EU die Marktmacht dominanter IT-Firmen beziehungsweise ausgewählter Produkte eindämmen.
Die EU-Kommission hat dementsprechend für das Betriebssystem Windows und Microsofts Karrierenetzwerk LinkedIn eine sogenannte Gatekeeper-Funktion festgestellt, kann aber auch nur diese Produkte stärker regulieren. „Wir können auf Grundlage unserer Entscheidung wettbewerbsgefährdende Praktiken dort unterbinden, wo der DMA nicht greift“, erklärt Mundt.
Nextclouds BeschwerdeEine große Rolle für die Entscheidung des BKartAs scheint auch die Beschwerde des deutschen Unternehmens Nextcloud gespielt zu haben. Das hat Hinweise zu Microsofts wettbewerbswidrigem Verhalten an das Amt übermittelt, man stehe im regelmäßigen Austausch, so Frank Karlitschek, Gründer und Chef von Nextcloud.
Mit seinem Unternehmen arbeitet er auch für den Bund an der Bundescloud für die öffentliche Verwaltung. Sein Produkt ist eine Kollaborationssoftware auf Open-Source-Basis, darunter auch ein Filesharing-Tool, das in Konkurrenz zu Microsofts Cloud-Lösung OneDrive steht.
In 2021 reichte er zunächst Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein. Sie richtete sich vor allem gegen die tiefe Integration der Cloud-Lösung, die laut Karlitschek Windows-Nutzer:innen bei relevanten Arbeitsschritten regelmäßig angezeigt werde. Dieser Dienst ist vorinstalliert und mit dem Microsoft-Nutzerkonto kompatibel. Das ist bequem, macht es Nutzer:innen gleichzeitig aber auch schwer, Software anderer Hersteller wie Dropbox oder Nextcloud zu benutzen, so Karlitschek gegenüber netzpolitik.org. Mit Windows 11 geht Microsoft noch weiter: Nutzer:innen sind mit der ersten Anmeldung im System auch automatisch OneDrive-Kund:innen.
Im selben Jahr wandte sich Karlitschek schließlich mit einer weiteren Beschwerde an das Βundeskartellamt, da das europäische Kartellverfahren nur schleppend verlief. Dabei weitete er die Beschwerde auf andere Microsoft-Produkte wie Teams aus.
Zudem wies er darauf hin, dass Dateien in Excel oder Word auf dem iPhone oder iPad standardmäßig in OneDrive abgespeichert werden. Wollen Nutzer:innen einen anderen Speicherdienst auswählen, müssen sie mehrere Klicks vornehmen. Die Liste an Vorschlägen kuratiert Microsoft laut Karlitschek allerdings stark. Nextcloud kann dort nicht ausgewählt werden, weil das Microsoft-System eine dezentral organisierte Lösung technisch nicht vorsieht. Technisch möglich sei es, so Karlitschek. Microsoft treffe hier eine politische Entscheidung, nur Diensteanbieter in die Vorschläge aufzunehmen, die ein Partnerprogramm mit Microsoft eingegangen sind.
Handhabe gegen MicrosoftIn seiner Beschwerde gegen Microsofts unfaire Methoden unterstützen Nextcloud circa 30 Organisationen, darunter auch die Free Software Foundation Europe. Sie kritisieren: Microsoft habe sich ein „einzigartiges digitales Ökosystem über mehrere strategisch wichtige Märkte im digitalen Sektor“ erschaffen. Für Wettbewerber sei Microsofts Markstellung kaum angreifbar.
Es gehe ihm nicht nur ums Geschäft, sagt Karlitschek. Software sei heute politisch und erfordere politisches Engagement, etwa der Einsatz für Open-Source-Software und offenen Quellcode. Die Entscheidung des Kartellamts mache Mut, dennoch sieht Karlitschek skeptisch in die Zukunft: Das Verfahren dauere nun schon drei Jahre.
Das BKartA äußert sich derweil noch vorsichtig. Welche konkreten Verhaltensweisen von Microsoft man näher untersuchen werde, sei noch offen. Grundsätzlich kann das Amt seit der Überarbeitung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 2021 (10. GWB-Novelle) die Marktmacht der Digitalkonzerne besser überwachen und effektiver einschränken. Hat es das Label „überragende marktübergreifende Bedeutung“ erst einmal ausgestellt, kann es frühzeitiger und mit weniger bürokratischem Aufwand gegen missbräuchliche Praktiken vorgehen. Es könnte Microsoft im Fall überhöhter Preise zu Rückerstattungen zwingen oder Bußgelder (PDF) verhängen.
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Die Mitgliedstaaten der EU sind sich weiterhin nicht einig über die Chatkontrolle. Eine Sperrminorität im Rat hat zum wiederholten Male dazu geführt, dass das Thema von der Tagesordnung genommen wurde. Derweil melden sich noch mehr Kritiker der Chatkontrolle zu Wort.
So wäre Chatkontrolle analog. (Symbolbild) – Public Domain generiert mit MidjourneyDie ungarische Ratspräsidentschaft hat die Chatkontrolle entgegen vorheriger Planungen von der Tagesordnung der heutigen Sitzung der Ständigen Vertreter im EU-Rat genommen. Dies bestätigte ein Sprecher des EU-Rates gegenüber netzpolitik.org. Der Schritt deutete sich gestern schon an, nachdem die Niederlande angekündigt hatten, sich zu enthalten. Dadurch steht die Sperrminorität im Rat gegen die Chatkontrolle.
Elina Eickstädt, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, sieht das als einen Erfolg der anhaltenden Proteste gegen die Verordnung: „Dass die Chatkontrolle von der Tagesordnung genommen wurde, zeigt, dass eine aktive digitale Zivilgesellschaft in allen EU-Staaten nötig ist, um das Gesetz zu verhindern.“
Ein Sprecher des EU-Rates sagt allerdings auch, dass Ungarn „weiterhin aktiv Gespräche mit allen Mitgliedstaaten“ führe. „Der Verordnungsvorschlag könnte von daher nächste Woche wieder auf die Tagesordnung kommen“, so der Sprecher weiter. Die Chatkontrolle steht allerdings weiterhin auf der Tagesordnung des Treffens der Justiz- und Innenminister am 9. und 10. Oktober.
Unterdessen ist der aktuelle Verordnungstext vom 24. September (PDF) bekannt geworden, den das Medium „Contexte“ zuerst veröffentlicht hatte.
Was ist die Chatkontrolle?Die EU-Kommission will mit der sogenannten CSA-Verordnung gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder vorgehen. Sie möchte dafür Internetdienste per Anordnung verpflichten, die Inhalte ihrer Nutzer:innen automatisiert auf Straftaten zu durchsuchen und bei Verdacht an Behörden zu melden. Das EU-Parlament bezeichnet das seit fast einem Jahr als Massenüberwachung und fordert, nur unverschlüsselte Inhalte von Verdächtigen zu scannen.
Die EU-Staaten können sich bisher nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Mehrere Ratspräsidentschaften sind daran gescheitert, eine Einigung zu erzielen.
Jetzt versucht es Ungarn, das im zweiten Halbjahr 2024 die Ratspräsidentschaft innehat. Zuletzt hatte es vorgeschlagen, dass Dienste-Anbieter zunächst nur nach bekannten Straftaten suchen müssen – also nach Bildern und Videos, die bereits aufgefallen sind. Neues Material und Grooming sollen erst später verpflichtend werden, wenn die Technik gut genug ist.
Die Grundprobleme der Chatkontrolle bleiben bei dem Vorschlag der Ungarn bestehen: anlasslose Massenüberwachung, falsche Verdächtigungen, das Ende von zuverlässiger Verschlüsselung und Probleme mit der IT-Sicherheit.
Immer mehr scharfe KritikDas Vorhaben der EU-Kommission steht deswegen weithin in der Kritik – nicht nur von Digital- und Grundrechteorganisationen. Jüngst hatten mehr als 300 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt vor der Verordnung – auch in der ungarischen Version – gewarnt.
Scharfe Kritik übt auch die Gesellschaft für Informatik (GI) an den Plänen der EU zur verpflichtenden Überwachung von privater digitaler Kommunikation: Der GI-Arbeitskreis Datenschutz und IT-Sicherheit warnt vor dem neuen Anlauf der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft. Zudem hat sich auch die internationale Dachorganisation der Informatik-Gesellschaften Council of European Informatics Societies (CEPIS) explizit dem offenen Brief gegen die geplante Verordnung angeschlossen.
Kürzlich hat sich auch das Forschungszentrum Informatik (FZI), eine Gründung des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums und der Uni Karlsruhe, in einem Positionspapier gegen die Chatkontrolle (PDF) gestellt.
Als ein weiterer erklärter Gegner der Chatkontrolle hat sich auch der niederländische Geheimdienst AIVD bekannt: Die geplanten Anordnungen für Anbieter von Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation seien ein zu großes Sicherheitsrisiko.
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Soeben habe ich meinen Twitteraccount deaktiviert. Gerne hätte ich ihn komplett „gekillt“. Das ist erst nach weiteren 30 Tagen möglich.
Weil man acht digitale Jahre nicht so einfach auf den persönlichen Müllhaufen werfen kann, hatte ich mich jetzt zwei Wochen lang damit schwergetan. Das persönliche Faß zum Überlaufen gebracht hat die Twitterblockade der Tweets von Digitalcourage e.V. zum Aktionstag #SaveYourInternet am letzten Wochenende.
Auch ohne meinen Account bei mastodon hätte ich das jetzt gemacht. Dort erreicht man mich jetzt unter Oreo_Pirat@mastodon.social in einer vom Umgangston her wesentlich entspannteren und freundlicheren Atmosphäre.
Ich will und kann niemandem Vorschriften machen, ob und wie er/sie Twitter weiter nutzt. Meine Weggefährten aus den letzten Jahren habe ich charakterlich und politisch so in Erinnerung, dass auch sie bald das Richtige mit ihrem Twitteraccount machen werden.
Ein Mensch ist ermordet worden. Das wäre der Zeitpunkt, am Ort des Geschehens eine Kerze zu entzünden, Hinterbliebene zu unterstützen, dem Opfer zu gedenken. Die Strafverfolgung, die Verurteilung und die Vollstreckung des Urteils ist und bleibt in Deutschland Angelegenheit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte.
Statt dessen macht sich ein Mob auf den Weg in die Innenstadt um allen zu zeigen „wer in der Stadt das Sagen hat“. Mit dabei: polizeibekannte gewaltbereite Hooligans. Ein MdB der AFD ruft auf Twitter zur Selbstjustiz als Bürgerpflicht auf, Augenzeugen berichten von Gruppen die durch die Stadt laufen und zum „Kanakenklatschen“ aufrufen. Jagdszenen. 26 Jahre nach den Anschlägen von Rostock-Lichtenhagen, fast auf den Tag genau.
Mit dem Mord an einem 35jährigen hat das alles zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr zu tun. Ich verwette meinen Hintern darauf, dass beträchtliche Teile der fast 1000 „besorgten Bürger“ die in Chemnitz aufmarschierten, erst im Nachhinein überhaupt von dem Mordfall erfahren haben. Das war den meisten wohl auch völlig egal.
Wir sprechen nicht von einer legitimen Demonstration die einen Mangel an öffentlicher Sicherheit anprangert. Wir sprechen hier von einem wütenden Mob, der nur auf den richtigen Moment wartete, um endlich zu starten.
Wir sprechen hier nicht mehr von „besorgten Bürgern“, „Islamkritikern“, „Fußball-Ultras“ oder „Verlierern des Systems“. Wir sprechen von Leuten wie Frau Faschner [1], die ihre Abneigung gegen Ausländer mit „Weil man ja gegen irgendwen sein muss, und mit denen ist es einfach“ begründet. Wir sprechen von Menschen die „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“ und „Schlagt den Roten die Schädeldecke ein“ brüllen [2] und/oder in aller Öffentlichkeit und bestimmt nicht in satirischem oder künstlerischem Kontext den Hitlergruß zeigen [3].
Wir sprechen von Rechtsradikalen und Nazis!
Niemand der am Sonntag oder gestern dort mitgelaufen ist, Verständnis oder gar Sympathie für die Handlungen zeigt, kann es sich mehr verbitten als Nazi bezeichnet zu werden.
Es ist an der Zeit, das Kind endlich beim Namen zu nennen. Es ist an der Zeit einzusehen, dass es nichts mit Verunglimpfung der Personen oder einer Verharmlosung dunkler Teile unserer Geschichte zu tun hat, wenn man diesen Begriff benutzt.
Wir leben in Zeiten, in denen ein Videospiel zensiert wird, bzw. für den deutschen Markt bis zur erzählerischen Sinnentleerung umprogrammiert werden muss, weil der Protagonist gegen Nazis kämpft und zur Kulissendarstellung Hakenkreuze im Spiel auftauchen [4]. Gleichzeitig marschieren Rechte auf und zeigen öffentlich und in eindeutigem Kontext den Hitlergruß und die Polizei schaut zu. Währenddessen brechen Journalisten in einer deutschen Stadt ihre Arbeit ab, weil die Sicherheitslage es nicht mehr zulässt [5]. Deutschland im Jahr 2018.
Am Rande bemerkt: Die Polizei überlässt quasi ganze Straßenzüge Rechtsradikalen, weil sie personell nicht in der Lage ist, die Situation zu handlen [1]. Ob allgemeiner Personalnotstand oder eine katastrophale Fehleinschätzung der Lage im Vorfeld dafür verantwortlich ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Eindeutig ist jedoch, dass eine Ausweitung der Polizeigesetze, wie sie in nahezu jedem Bundesland derzeit angestrebt oder umgesetzt wird, nicht die Problemlösung sind, als die sie uns verkauft werden sollen.
UPDATE (15:40 Uhr): Ein Freund des Opfers erklärt auf Facebook [6]:
[…] Diese Rechten die das als Plattform nutzen, mit denen mussten wir uns früher Prügeln, weil sie uns nicht als genug deutsch angesehen haben. Jeder der Daniel Hillig gekannt hat, weiß das dies unmöglich sein Wille gewesen wäre. Lasst euch nicht Benutzen, sondern trauert… […]
[2] https://twitter.com/Chronik_ge_Re/status/1034181409416638471
[3] https://twitter.com/cschellhorn/status/1034126675280310275 , https://twitter.com/LennartPfahler/status/1034166867504627712
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfenstein_II:_The_New_Colossus#%C3%84nderungen_der_deutschen_Version
[5] https://twitter.com/Lieber_Bunt/status/1034172536878247936
All asylum-seekers in transit zones are now getting food after we successfully got interim orders for 8 people from the European Court of Human Rights. We welcome that no one is starved now, but under current law, asylum-seekers could still be denied food. https://www.helsinki.hu/en/all-asylum-seekers-finally-get-food-in-the-transit-zones-at-the-border/
Thanks to one of our users, very happy to have found this photograph of the small group of mostly Spanish resistance maquis in France who defeated an entire German column of 1300 men in the battle of La Madeleine in August 1944! #antifa https://pbs.twimg.com/media/DlXxJVCUUAEmE2g.jpg:large
Bekanntlich reichte es für uns Piraten 2017 nicht zum Wiedereinzug in den schleswig-holsteinischen Landtag. Lange Zeit deswegen traurig zu sein, hatte ich nicht. Etwas mehr als zwei Wochen nach der Wahl sorgte ein ziemlich heftiger (gibt´s andere?) Herzinfarkt dafür, dass ich aus meinem bisherigen Leben aussteigen musste. Direkt nach der etwa siebenstündigen Bypass-OP konnte ich gerade mal 20 Meter gehen. Danach war erst einmal Pause angesagt. Heute, 15 Monate später, lege ich täglich auf dem Ergometer zwölf bis dreizehn Kilometer zurück und mache gerne ausgedehnte Spaziergänge. Geholfen hat dabei natürlich, dass ich weg bin von den circa 40 Zigaretten am Tag.
So ein Schuss vor den Bug ordnet – wenn man ihn denn richtig deutet – vieles neu. Man setzt andere Prioritäten. Politik spielt entsprechend nur noch eine sehr untergeordnete Rolle in meinem Leben. Mein Dienstherr hat mich vorzeitig in den Ruhestand versetzt, nachdem amtsärztlich feststand, dass ich nicht wieder die Fitness erreichen werden würde, die man als Ermittlungsbeamter bei der Zollfahndung nun einmal braucht.
Ganz und gar ohne Einmischen geht es allerdings auch nicht. Helfe mit Rat (öfter) und Tat (seltener) gerne in meiner Partei und an anderen Stellen. Nach wie vor haben Whistleblower genug Vertrauen zu mir und melden sich. Gerne helfe ich ihnen beim richtigen Unterbringen ihrer Informationen. Dabei helfen die „alten“ Kontakte aus dem Parlament natürlich. Das Schöne daran ist, dass ich die „Schlagzahl“ bestimmen kann. Nach dem Tod vom Jürgen Roth im letzten Jahr versuche ich in seinem Sinne handelnd „Dinge auf den Weg zu bringen“.
Dass ich nun wesentlich mehr Zeit für gute Musik und vor allem natürlich guten Blues habe, werdet Ihr noch merken, wenn ich von Konzerten berichte oder nur mal so auf Musiker hinweise.
Es war wohl keine so gute Idee mitten in der Urlaubszeit eine Mannschaft anzuheuern. Wir sagen hiermit die Aufstellungsversammlung am Samstag, den 25.08 ab und melden uns diesbezüglich wieder, wenn wir die Leute beisammen haben.
Wenn du also möchtest, dass in Ulm piratige Politik gemacht wird, melde dich doch bitte bei uns unter
vorstand(at)piratenpartei-ulm.de. Je schneller desto eher können wir aufstellen und je mehr sich melden, umso eher bekommen wir jemanden in den Stadtrat!
Liebe Grüße,
Dein Vorstand
Am 12. September werden die Europaabgeordneten abstimmen, wie mit der neuen Urheberrechtsrichtlinie weiter verfahren werden soll. Auch Let’s Plays, Spielerezensionen und Abandonware sind von dieser Richtlinie betroffen, erklärt unsere Abgeordnete Julia Reda:
“Uploadfilter sind absolutes Gift für die Spielekultur! Videospielrezensionen oder Let’s Plays, die Gameplay enthalten, sind oftmals (zumindest teilweise) vom Zitatrecht abgedeckt und somit keine Urheberrechtsverletzung, obwohl die Grafiken im Gameplay urheberrechtlich geschützt sind. Uploadfilter können aber nicht unterscheiden, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung oder ein legales Zitat im Rahmen einer Rezension oder Spielkritik handelt.”Julia Reda
Außerdem sind auch Plattformen für Abandonware betroffen, weil diese oft zwar technisch gesehen noch urheberrechtlich geschützte Spiele zur Verfügung stellen (auch im Bereich Software gilt eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Autors), die Spiele aber so alt und obsolet sind, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich die Rechteinhaber beschweren.
“Niemandem entsteht ein wirtschaftlicher Schaden, wenn auf solchen Plattformen Spiele geteilt werden, die gar nicht mehr kommerziell auf dem Markt erhältlich sind. Dennoch wären solche Plattformen mit Artikel 13 unmittelbar für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer*innen haftbar und würden damit ein großes wirtschaftliches Risiko eingehen – und sie könnten zum Einsatz von Uploadfiltern gezwungen werden.”Julia Reda
Wir organisieren deshalb gemeinsam mit anderen Gruppenn von Parteien, Bündnissen und Einzelpersonen europaweite Proteste gegen die Einführung von Uploadfiltern sowie eines europäischen Leistungsschutzrechtes. Am 26. August sind derzeit Demonstrationen in 20 europäischen Städten geplant, darunter Berlin, Hamburg, München, Paris und Stuttgart. Eine Übersicht über alle Demonstrationen kann man auf einer eigens eingerichteten Karte finden.
Wie angekündigt mobilisieren die Piratenpartei und verschiedene andere Gruppen von Parteien, Bündnissen und Einzelpersonen europaweite Proteste gegen die Einführung von Uploadfiltern sowie eines europäischen Leistungsschutzrechtes. Am 26. August sind derzeit Demonstrationen in 20 europäischen Städten geplant, darunter Berlin, Hamburg, München, Paris und Stuttgart. Eine Übersicht über alle Demonstrationen kann man auf einer eigens eingerichteten Open-Street-Map finden.
“Vor einem Monat haben wir Geschichte geschrieben: Wir haben ein Gesetz aufgehalten, das unsere Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt hätte. Es war eine noch nie dagewesene Niederlage für mächtige Lobbys, die stets auf eine weitere Verschärfung des Urheberrechts pochen.”Julia Reda
Nach der Abstimmung im Juli werden die Inhalte des Gesetzesentwurfs nun neu verhandelt. Im September wird es deshalb erneut zu Abstimmungen im EU-Parlament kommen, bei denen wieder Uploadfilter und Leistungsschutzrecht zur Debatte stehen werden. Die Piratenpartei will deshalb auch in Baden-Württemberg erneut zu Protesten aufrufen.
Die Öffentlichkeit hat mit fast einer Million Unterschriften deutlich gezeigt, dass sie Uploadfilter und Linksteuer ablehnt. Nun werden wir diesen Protest erneut auf die Straße bringen. Deshalb werden wir am 26.08 auf dem Marienplatz in Stuttgart stehen und zeigen, was wir von diesen unangemessenen Eingriffen in die Grundrechte jedes Einzelnen halten. Durch den öffentlichen Druck konnten wir die erste Abstimmung gewinnen. Diesen Erfolg werden wir im September hoffentlich wiederholen!”Michael Knödler
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