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Letzte Generation: Der Streit um das abgehörte Pressetelefon geht weiter

netzpolitik.org - 29 November, 2023 - 08:18

Das Amtsgericht München geht davon aus, dass das Pressetelefon der Letzten Generation rechtmäßig abgehört wurde. Betroffene Journalisten wehren sich nun weiter gegen den Eingriff in die Pressefreiheit. Es gehe um mehr als die Einzelfälle, kritisieren Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte.

Seit vielen Monaten demonstrieren Aktivist:innen der Letzten Generation auf deutschen Straßen, hier in Braunschweig 2022. – CC-BY-SA 2.0 Constantin Jäge

Im Sommer wurde bekannt, dass die bayerische Polizei ab Oktober 2022 unter anderem das Pressetelefon der Klimagruppe Letzte Generation abgehört hatte. Daraufhin wehrten sich drei Journalisten gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (RSF) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und beantragten beim Amtsgericht München, die Maßnahme gerichtlich zu prüfen. Wie die beiden Organisationen nun bekannt gaben, erkannte das Amtsgericht die Überwachungsmaßnahmen als rechtmäßig an. Das wollen die Journalisten nicht hinnehmen.

Am Dienstag reichten RSF und GFF daher mit Jörg Poppendieck vom RBB und Jan Heidtmann von der SZ Beschwerde beim Landgericht München gegen die Beschlüsse ein. Sie sehen darin „einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit“, das Gericht habe das Grundrecht in der ursprünglichen Überwachungsanordnung nicht einmal erwähnt. Durch das Belauschen von Telefongesprächen bei einer so gekennzeichneten Pressenummer seien journalistische Gespräche gezielt abgehört worden.

Über den Einzelfall hinaus

„Dass der zur Überprüfung aufgeforderte Richter es nach wie vor für rechtmäßig hält, in seiner Überwachungsanordnung keine Grundrechte abgewogen zu haben, stellt rechtsstaatliche Grundsätze über den Einzelfall hinaus in Frage“, sagt Rechtsanwältin Nicola Bier von RSF. Poppendieck und Heidtmann haben laut der Mitteilung von RSF Belege dafür, dass Gespräche von ihnen aufgezeichnet wurden, obwohl sie sich als Pressevertreter zu erkennen gegeben haben. Bei Heidtmann sei etwa ein fünfminütiges Telefonat betroffen gewesen, dass unter anderem der Vermittlung eines Interviews diente.

„Es war nicht zu erwarten, dass das Amtsgericht München seine eigene Entscheidung revidieren würde. Dass der Richter das Abhören von Pressetelefonen legitimiert hat, bleibt trotzdem falsch. Deshalb gehen wir nun in die nächste Instanz“, sagte Jan Heidtmann. Mit dem Verfahren wollen die Organisationen nicht nur den konkreten Fall der beiden Journalisten klären, sondern „die grundrechtlichen Grenzen für das heimliche Abhören solcher Anschlüsse“.

Neben dem Pressetelefon waren zwölf weitere Anschlüsse von den Abhörmaßnahmen betroffen. Sie stehen im Kontext des Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der Letzten Generation wegen des Vorwurfs, sie hätten eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet. Die Ermittlungen gipfelten Ende Mai in mehreren Hausdurchsuchungen von Aktivist:innen. Das Vorgehen steht in der Kritik, mehrere Rechtsexpert:innen bezweifelten, dass die Aktionen der Letzten Generation für eine derartige Einstufung in Frage kommen. Das Landgericht München jedoch verwarf Mitte November Beschwerden gegen die Durchsuchungen und entschied, dass ein entsprechender Anfangsverdacht plausibel sei.

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Datenschutz: Widerstand von NOYB gegen Meta-Abo

netzpolitik.org - 28 November, 2023 - 18:23

Seit November stehen europäische Nutzer:innen von Metas Netzwerken vor der Wahl: Lasse ich mich tracken oder bezahle ich monatlich Geld? Eine österreichische NGO geht nun gegen das Modell vor und will klären, ob das legal ist.

Wer Instagram ohne Tracking nutzen will, muss aktuell monatlich zahlen. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Brett Jordan

Ist es legal, dass ich als Nutzer knapp zehn Euro im Monat für Instagram bezahlen muss – oder alternativ Tracking in Kauf nehmen muss? Die Verbraucherschutzorganisation NOYB meint: Nein! Die NGO aus Wien hat deshalb Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde eingelegt. Die Wahl zwischen personalisierter Werbung und einer monatlichen Gebühr ist aus Sicht von NOYB rechtswidrig und schließt arme Menschen aus.

Damit geht der Kampf zwischen Datenschützer:innen und dem Social-Media-Konzern in die nächste Runde. Es geht um die Frage, ob Metas Geschäftsmodell, also das Sammeln und Zusammenführen von Nutzerdaten für personalisierte Werbung, mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist. Um personenbezogene Daten für zielgerichtete Werbung verwenden zu dürfen, bedarf es laut DSGVO einer gültigen Rechtsgrundlage.

Begründung wechsel dich

In der Vergangenheit hatte Meta argumentiert, dass personalisierte Werbung eine vertragliche Notwendigkeit sei. Nach einer Klage von NOYB (die Abkürzung steht für „None Of Your Business“) und einer Entscheidung des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) änderte der Konzern seine Begründung und argumentierte ab da mit seinem „berechtigten Interesse“.

Doch auch damit kam Meta nicht durch. Der Europäische Gerichtshof urteilte im Juli 2023, dass Meta die Daten von Nutzer:innen nicht ohne deren explizite Zustimmung sammeln und verarbeiten darf. In einer bindenden Entscheidung hatte der EDSA Ende Oktober die irische Datenschutzbehörde aufgefordert, Meta die Verarbeitung von persönlichen Daten zu verbieten.

Ein Pur-Abo für Facebook und Instagram

Um sein Geschäftsmodell in Europa zu retten, hat Meta im November eine Art „Pur-Abo“ für europäische Instagram- und Facebook-Nutzer eingeführt. Wer die beiden Dienste nutzen will, muss seitdem zahlen – oder weiterhin personalisierte Werbung akzeptieren. Damit folgt der Social-Media-Konzern dem Beispiel vieler Medienhäuser. Auch dort haben die Nutzer:innen die Wahl zwischen einem kostenpflichtigen Angebot und einem mit personalisierter Werbung. Bei Medienhäusern hatte die Konferenz der deutschen Datenschutzbehörden die Pur-Modelle abgenickt. Ob sich die Begründung in Europa durchsetzt und auch für Soziale Netzwerke gilt, bleibt juristisch eine offene Frage.

NOYB beantwortet sie klar mit nein. Die NGO hat deshalb Beschwerde bei der österreichischen Datenschutzbehörde eingereicht. Diese soll nach dem Willen von NOYB in einem Dringlichkeitsverfahren die „illegale Verarbeitung“ von persönlichen Daten stoppen und ein Bußgeld verhängen.

Grundrecht gegen Gebühr?

Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei NOYB sagt: „Das EU-Recht verlangt, dass die Einwilligung den freien Willen der Nutzer:innen darstellt. Im Widerspruch zu diesem Gesetz erhebt Meta eine ‚Datenschutzgebühr‘ von bis zu 250 Euro pro Jahr, wenn jemand es wagt, sein Grundrecht auf Datenschutz wahrzunehmen.“

Die von NOYB genannte Summe errechnet sich aus monatlich 12,99 Euro für Facebook und 8 Euro für ein verknüpftes Instagram-Konto. Noch bis März gilt ein abgeschlossenes Abonnement für beide Dienste, dementsprechend fallen die 8 Euro für Instagram erst danach an. Günstiger ist es zudem, wenn das Abo nicht mobil abgeschlossen wird. NOYB argumentiert, dass Meta den Abopreis unverhältnismäßig hoch ansetze und verweist auf Zahlen des Konzerns. Demnach habe Facebook pro europäischem Nutzer „nur“ rund 60 Euro Umsatz im letzten Jahr gemacht – also weit weniger als das Abo im Jahr kostet.

Die soziale Frage

NOYB zitiert eine Umfrage von 2019, nach der nur drei bis zehn Prozent der Befragten wollen, dass ihre persönlichen Daten für gezielte Werbung verwendet werden. Gleichzeitig sagte der CEO eines „Pur-Abo“-Dienstleisters gegenüber Forscher:innen, dass 99,9 Prozent dem Tracking zustimmen würden, wenn sie mit einer Gebühr konfrontiert werden. Diese Diskrepanz ist für den Max Schrems, Vorsitzender von NOYB, ein eindeutiges Zeichen, dass Metas Abo-Lösung rechtswidrig sei: „Wenn nur drei Prozent der Menschen schwimmen wollen, aber 99,9 Prozent im Wasser landen, weiß jedes Kind, dass das keine ‚freie‘ Entscheidung war.“ Aus Schrems‘ Sicht ist es „erbärmlich“, wie Meta weiterhin EU-Recht ignoriere.

Das Gebührenmodell hat auch eine soziale Schlagseite. „Grundrechte gelten normalerweise für alle“, sagt Schrems und fragt: „Wie viele Menschen würden noch von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, wenn sie 250 Euro dafür bezahlen müssten? Es gab Zeiten, da waren Grundrechte den Reichen vorbehalten. Es scheint, als wolle Meta uns mehr als hundert Jahre zurückversetzen.“

Aktuell seien mehr als 20 Prozent der EU-Bevölkerung von Armut bedroht. Die Entscheidung zwischen einem „Pur-Abo“ und Nutzung mit Tracking würde „viele Menschen vor die Wahl stellen, die Miete bezahlen zu können oder das Recht auf Datenschutz zu wahren“, fährt Schrems fort. NOYB befürchtet, dass auch andere App-Anbieter nachziehen, wenn Meta mit seinem Ansatz Erfolg habe.

Unsere Presseanfrage zu der NOYB-Beschwerde und dem Vorwurf, Menschen von ihrem Recht auf Datenschutz auszuschließen, hat Meta bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht beantwortet.

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Transparenzbericht September 2023: Unsere Einnahmen und Ausgaben und viel Lehrreiches

netzpolitik.org - 28 November, 2023 - 16:58

Im September erlebten wir eine Premiere: Unsere erste Bundesfreiwillige kam zu uns. Wir waren mindestens genauso aufgeregt wie Nora. Und wir ahnten am ersten Tag noch nicht, was wir alles von ihr lernen können.

– Public Domain Claude Monet, Les glacons, 1880

„Freiwilliges Engagement lohnt sich für alle“, heißt es auf der Website des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Und weiter: „Junge Menschen sammeln praktische Erfahrungen und Kenntnisse und erhalten erste Einblicke in die Berufswelt.“ Nach den ersten Wochen, in denen Nora bei uns gearbeitet hat, ließe sich der Satz auch auf uns anwenden. Nora ist die erste Bundesfreiwillige bei netzpolitik.org. Schlimmstmöglich abgekürzt: Bufdi.

Für insgesamt ein Jahr ist Nora bei uns. Das Kennenlernen in den vergangenen Wochen hat einmal mehr eine alte Redensart bestätigt: Stille Wasser sind tief.

Nora ist Medieninformatikerin und interessiert sich unter anderem für Netzpolitik, Cosplay und Computerspiele. In ihrer Freizeit betreibt sie IT-Forensik und untersucht, welche Daten Computer-Spiele heimlich sammeln. Ole, der sich selbst gerne als „Impulskäufer“ bezeichnet, reichte diese Information im Bewerbungsgespräch bereits aus. Er hätte Nora am liebsten gleich an Ort und Stelle eine Zusage für die Stelle gegeben.

Seit Anfang September ist Nora nun bei netzpolitik.org. Sie hat Artikel zu KI und K-Pop geschrieben. Und sie hat ein Browser-Spiel für unsere Spendenkampagne programmiert. Seit einigen Tagen jagen unsere Leser:innen die von ihr gestalteten Cookie-Monster im Retro-Style.

Freiwillige „bringen frischen Wind und Anstöße von Außen in Ihre Einrichtung“, schreibt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben weiter. Wohl wahr. Wir haben ebenfalls schon viel von Nora gelernt. Etwa wie man die eigenen Chancen bei Cosplay-Wettbewerben erhöhen kann. Oder welche aktuellen TikTok-Trends es gibt. Und vor allem: Was gute Computerspiele ausmacht. Und dass man „cringe“ nicht mehr sagt. Denn das wäre cringe.

Nicht nur Ole ist nach wie vor begeistert. Wir alle freuen uns auf die weiteren Monate. Darauf, noch mehr voneinander lernen zu können. Vielen Dank schon einmal bis hierher, Nora.

Die harten Zahlen

Wir haben im September knapp 62.900 Euro eingenommen. Dabei kamen etwas mehr als 53.600 Euro an Spenden zusammen. Aus dem Merchstore erhielten wir rund 360 Euro an Einnahmen. Von der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) erreichte uns eine Verlagsausschüttung für das Jahr 2022 in Höhe von ca. 8.900 Euro. Davon abzuziehen sind Verwaltungskosten der VG Wort in Höhe von rund 850 Euro, was in unseren Ausgaben wirksam wird.

Die VG Wort verwaltet die Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten, unter anderem auch für journalistische Onlinetexte. Nachdem die regelhafte Beteiligung der Verlage durch ein Urteil von 2016 gestoppt wurde, ist diese ab 2022 mit einer neuen Quotierung wieder eingeführt worden. Ermöglicht wird die 30-prozentige Verlagsausschüttung durch die Zustimmung der Autor:innen. Die Ausgaben betrugen unterm Strich knapp 75.000 Euro.

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„Einnahmen & Ausgaben“ direkt öffnen

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Die Lohnkosten fallen mit 57.100 Euro aufgrund von kurzzeitig nicht besetzten Stellen in der Finanzbuchhaltung, der IT und im Büro Brüssel niedriger aus als in den Vormonaten. Die Büromiete betrug wie üblich 4.800 Euro. Die Fremdleistungen belaufen sich insgesamt auf etwas mehr als 9.000 Euro und liegen aufgrund von Texthonorarrechnungen, die mehrere Monate umfassen, über dem monatlichen Durchschnitt. Zudem entstanden wegen der fehlenden Besetzung in der Finanzbuchhaltung in unserem Steuerberatungsbüro Kosten durch Mehraufwand in Höhe von 2.000 Euro. Die Ausgaben für Betriebsbedarf mit 545 Euro und für Reisen/Bewirtung mit 578 Euro waren durchschnittlich. Die Kosten der technischen Infrastruktur des Büro liegen mit 1.880 Euro auch im üblichen Rahmen.

Zahlungsverkehrskosten haben wir in Höhe von knapp 190 Euro verbucht, weniger als sonst. Unterm Strich haben wir diesen Monat mit einen Defizit von rund 12.100 Euro beendet.

 

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„Spendenentwicklung September“ direkt öffnen

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Frankreich: Algorithmus weist Arbeitslosen ein höheres Risiko zu

netzpolitik.org - 28 November, 2023 - 12:17

Wer arbeitslos ist oder nur wenig verdient, hat es schwer. Eine Software der französischen Familienkasse macht es Betroffenen gleich nochmal schwerer und weist ihnen einen höheren Risikowert für Betrug oder Überzahlungen zu. Eine französische NGO hat das Programm analysiert und kritisiert diskriminierende Kriterien.

Wer ist hier verdächtig? – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Dewang Gupta

Wer in Frankreich finanzielle Unterstützung von der Caisse Nationale d’Allocations Familiales (CAF) bekommt, erhält nicht nur Geld, sondern auch einen persönlichen Risikowert dazu. Die „Familienausgleichskasse“ zahlt etwa Zulagen oder Wohngeld an einkommensschwache Familien. Wo die CAF Betrug oder Überzahlungen vermutet, kann sie die Empfangenden besonders kontrollieren oder überprüfen. Doch die Anhaltspunkte stammen nicht nur von Menschen, sondern vor allem aus einer Software.

Die französische NGO La Quadrature du Net (LQDN) hat durch Informationsfreiheitsanfragen Zugang zum Quellcode dieser Software erhalten und sie analysiert. Die Organisation zeigt damit, welche Faktoren zu einem vermeintlich erhöhten Risiko für unberechtigte Zahlungen führen und wie dadurch bestimmte Gruppen diskriminiert werden.

Faktoren, die den „Verdächtigkeitswert“ steigen lassen, sind demnach etwa ein geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit oder instabile Beschäftigungsverhältnisse. Aber auch wer in einer ungünstigen Nachbarschaft lebt oder einen großen Teil des Einkommens für Miete ausgibt, muss mit einem höheren Wert rechnen. „Der Gipfel des Zynismus“, wie LQDN schreibt: „Der Algorithmus zielt bewusst auf Menschen mit Behinderungen ab.“ Wenn jemand eine Beihilfe für Erwachsene mit Behinderungen beziehe und gleichzeitig arbeite, wirke sich das „am stärksten auf die Punktzahl des Empfängers“ aus.

Doppelte Strafe

LQDN kritisiert auch die „Doppel-Bestrafung“, die dem System zugrunde liege. Als auffällig würden gerade diejenigen markiert, die sowieso schon Probleme hätten. Sie starten aufgrund ihrer Lebensumstände unabhängig von ihrem aktuellen Verhalten bereits mit einem höheren Wert, während gut situierten Personen anfangs kein Risiko zugeschrieben wird.

Die Software ist jedoch nicht die aktuelle Version, sondern wurde von 2014 bis 2018 genutzt. Die derzeitige Variante bekam LQDN nicht. Die Organisation geht davon aus, dass sich die Verantwortlichen im Zweifel damit verteidigen, dass die neue Version weniger diskriminierend sei. LQDN aber findet: „Es kann kein Modell des Algorithmus geben, das nicht auf die am stärksten Benachteiligten abzielt. Und damit auch auf diejenigen, die von der Norm abweichen, die seine Entwickler definiert haben.“

Die Analyse ist Teil einer Reihe von LQDN, die sich automatisierten Verarbeitungen im Sozialsystem Frankreichs widmet. LQDN habe das Thema zur Priorität des kommenden Jahres gemacht und will ähnliche Systeme genau untersuchen, etwa im Gesundheitswesen oder bei der Rentenversicherung.

Doch Frankreich ist längst nicht das einzige Land mit problematischen (teil-)automatisierten, staatlichen Entscheidungssystemen: In den Niederlanden hatte beispielsweise die sogenannte Kindergeldaffäre gezeigt, wie mit diskriminierenden Kriterien betriebene Systeme viele Familien finanziell fast ruinierten. Die dortige Regierung musste schließlich ein Bußgeld in Millionenhöhe zahlen.

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Der Feind vor meinem Haus: Polizeiverbindungen in die rechte Szene verunsichern Jüdische Gemeinden

netzpolitik.org - 28 November, 2023 - 10:36

Immer wieder kommen rechtsextreme und antisemitische Aktivitäten von Polizist:innen ans Licht. Zum Beispiel der Fall eines Reichsbürgers in Uniform, der die Sicherheit jüdischer Einrichtungen gewährleisten soll. Das erschüttert das Vertrauen jüdischer Bürger:innen in die Strafverfolgungsbehörden.

In Deutschland müssen jüdische Gotteshäuser und Gemeinden von der Polizei geschützt werden (Symbolbild, Synagoge Düsseldorf) – Alle Rechte vorbehalten Imago / Michael Gstettenbauer

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Staatsgewalt: Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“, herausgegeben von Heike Kleffner und Matthias Meisner. Ruben Gerczikow ist Autor und Publizist, er recherchiert zu Antisemitismus im analogen und digitalen Raum. Veröffentlichung des Textes mit freundlicher Genehmigung des Autoren, der Herausgeber:innen und des Verlages. Alle Rechte vorbehalten: Ruben Gerczikow.

Berlin-Mitte, hier schlägt das politische Herz der deutschen Demokratie. Auf dem Weg durch den Bezirk fallen Waschbeton und Glasfassaden ins Auge, die Architektur der Berliner Republik an Gebäuden wie dem Bundeskanzleramt, dem Innenministerium, zahlreichen Liegenschaften des Bundestages rund um das Brandenburger Tor. Neben ihrer räumlichen Nähe eint diese Gebäude auch der Umstand, dass sie durch umfassende Sicherheitsmaßnahmen geschützt sind – etwa flächendeckende Videoüberwachung, Einlasskontrollen, mit Panzerglas verglaste Scheiben und rundum Überwachung durchbewaffnete Beamt:innen von Bundespolizei oder Landespolizei.

Doch politische oder auch diplomatische Vertretungen sind nicht die einzigen Gebäude in Berlin(-Mitte), die durch die Polizei tagtäglich geschützt werden. Für viele Polizist:innen bundesweit gehört es zum Alltag ebenso vor jüdischen Einrichtungen wie beispielsweise Synagogen, Gemeindezentren oder Schulen bewaffnete Präsenz zu zeigen. So sieht die Normalität für viele Kinder auf jüdischen Schulen in ganz Europa aus: Noch vor den eigenen Lehrkräften begrüßen sie die teilweise schwer bewaffneten Polizeibeamt:innen, die vor den Schultoren stehen.

„Als Kind und auch noch als Jugendliche habe ich die Polizei immer nur als Gefühl von Sicherheit wahrgenommen. Ich wusste schon von klein an dass die Polizei vor der Schule steht, um aufzupassen, dass uns nichts passiert […]. Sie hat mir auch in öffentlichen Räumen noch das Gefühl von Sicherheit gegeben, da ich es so seit meiner Kindheit erklärt bekommen habe“, sagt etwa Leah Luwisch, jüdische Jungpolitikerin und ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend aus Frankfurt am Main.

„Welches Gedankengut haben diese Beamt:innen?“ Auszug aus dem Buch „Staatsgewalt“

In Anbetracht der blutigen Kontinuität antisemitischer Gewalt im postnazistischen Deutschland wird der Schutz von Jüdinnen:Juden vonseiten der Politik immer wieder hervorgehoben. Doch wird Deutschland seiner Verantwortung für den millionenfachen systematischen, industriellen Massenmord der Shoa und des Vernichtungskrieges überhaupt gerecht, indem es heute jüdische Einrichtungen angemessen schützt? So dokumentierte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) in ihrem Jahresbericht für das Jahr 2022 insgesamt 2480 antisemitische Vorfälle in ganz Deutschland. Das Dunkelfeld dürfte weitaus größer sein.

Gewalt, ob physischer oder verbaler Natur, gegen Jüdinnen:Juden ist in Deutschland allgegenwärtig – jüdisches Leben ist auch 2023 immer noch fragil. Und deshalb sind Sicherheitsmaßnahmen um und in jüdischen Gebäuden absolut notwendig. „Trotzdem ist immer die Frage im Kopf, wer da jetzt gerade zum Schutz steht und welches Gedankengut diese Beamt:innen eigentlich haben“, beschreibt Leah Luwisch die ambivalenten Gefühle, die die Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen bei ihr auslöst.

Denn die Informationen über rechtsextreme Gruppen in Polizeidienststellen, die Beteiligung von Polizeiangehörigen an Netzwerken wie beispielsweise Nordkreuz und dass mutmaßlich rechtsextreme Polizisten wie Fred B. oder der niedersächsische Kriminalhauptkommissar Michael F. für die Sicherheit von Jüdischen Gemeinden verantwortlich waren, haben massiven Schaden hinterlassen.

Nicht wenige Jüdinnen:Juden sprechen von einem Vertrauensbruch durch diejenigen, die doch eigentlich das Vertrauen in den deutschen Staat und seine Verpflichtung gegenüber jüdischem Leben stärken sollen.

Ein Reichsbürger als Sicherheitsbeauftragter für jüdische Einrichtungen

Unter den 25 Personen, die am 7. Dezember 2022 bei den groß angelegten Ermittlungen gegen die Reichsbürgergruppe Patriotische Union um Heinrich XIII. Prinz Reuß festgenommen wurden, befand sich auch Kriminalhauptkommissar Michael F. aus dem Landkreis Hildesheim. Er wurde nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle (Saale) am 9. Oktober 2019 vom „niedersächsischen Innenministerium damit beauftragt, ein Gutachten anzufertigen bezüglich baulicher und technischer Maßnahmen, um die Sicherheit der Jüdischen Gemeinde zu erhöhen“, sagt Rebecca Seidler, Vorsitzende des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Niedersachsen und Geschäftsführerin der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover.

Die jüdische Hannoveranerin erinnert sich gut an ihr erstes Treffen mit dem Kriminalhauptkommissar: „Beim ersten Termin verweigerte er zunächst die Begutachtung des Gebäudes, da er sich hierfür nicht zuständig sah. Er verglich die Jüdische Gemeinde mit einem Baumarkt und gab an, wenn der dortige Baumarktleiter eine Sicherheitsvorkehrung wünsche, müsse dieser die ja auch schließlich selbst vornehmen und nicht der Staat.“

Nachdem F. den Termin beendet hatte, ohne das Gemeindezentrum besichtigt zu haben, beschwerte sich Rebecca Seidler bei der zuständigen Polizeibehörde Hannover. Daraufhin wurde F. erneut geschickt. Zum Unverständnis von Seidler, denn „das Landeskriminalamt verfügt ohnehin über speziell geschulte Polizisten für die Sicherheit jüdischer Einrichtungen“. Dennoch klärte sie beim zweiten Zusammentreffen F. über alle Sicherheitsmängel in ihrer Gemeinde auf, damit der Beamte das Gutachten zutreffend schreiben konnte.

Hitlergruß auf Querdenken-Demo

Bereits vor seiner Festnahme im Dezember 2022 machte der Kriminalhauptkommissar in einem gänzlich anderen Kontext öffentlich auf sich aufmerksam. Im Zuge der Coronapandemie nahm der Beamte an mehreren Demonstrationen der „Querdenken“-Bewegung teil, unterhielt einen eigenen Telegramkanal und ergriff auf einschlägigen Kundgebungen auch selbst das Wort. In seinen Reden und Nachrichten fabulierte er vom Umsturz, verbreitete Verschwörungserzählungen und stellte unter anderem Parallelen zwischen dem Nationalsozialismus und den Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie her. Außerdem kandidierte er bei der Bundestagswahl 2021 in Niedersachsen als Spitzenkandidat für die verschwörungsideologische Partei Die Basis.

Bei einer „Querdenken“-Demonstration am 31. Oktober 2020 in Dresden zeigte F. den Hitlergruß und wurde deshalb im Dezember 2021 in erster Instanz vom Amtsgericht Dresden zu einer Geldstrafe in Höhe von 5000 Euro verurteilt. Rebecca Seidler erfuhr von den rechten Umtrieben ihres Ansprechpartners nicht von der Polizei selbst, sondern über Umwege. „Ehrlich gesagt hat es mich nicht überrascht, denn seine Radikalisierung war in seinen Reden und Auftritten deutlich erkennbar für mich“, sagt Rebecca Seidler.

Daraufhin habe sie umgehend das Gespräch mit dem Polizeipräsidenten gesucht, der ihre Besorgnisse eher kleingeredet habe: „Da schließlich Herr F. suspendiert wurde, bestünde kein Grund zur Sorge“, erinnert sie sich an die Kernbotschaft des Gesprächs. Aus den Medien erfuhr Rebecca Seidler, dass das Polizeipräsidium Hannover ein Disziplinarverfahren gegen Michael F. in Gang gesetzt hatte mit dem Ziel seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.

Im Gegensatz zur Polizei hätten niedersächsische Landespolitiker:innen mehr Verständnis für die Sorgen der Liberalen Jüdischen Gemeinde und das entstandene Sicherheitsrisiko gezeigt, so Rebecca Seidler. Vonseiten der Behörden wurde eingeräumt, „dass da ein zweifelhafter Polizist über ein sensibles Detailwissen verfügte“. Dennoch seien die Finanzmittel für die dringend benötigten baulichen Sicherheitsmaßnahmen nicht zügig genug bereitgestellt geworden.

Der „militärische Arm“ der Patriotischen Union

Nach der Festnahme von Michael F. am 7. Dezember 2022 sei es „zu Irritationen bis hin auch zu ernsthaften Sorgen innerhalb der jüdischen Community“ gekommen, betont Rebecca Seidler. Wichtig sei jetzt, dass es inzwischen eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei gebe: „Der offene Austausch schafft auch Verständnis für unsere Sicherheitsbedenken“, resümiert die Landesvorsitzende die aktuelleren Gespräche mit Polizeiführung und Politiker:innen. So könnten sich Mitglieder Jüdischer Gemeinden sicherer fühlen.

Zu denjenigen Tatverdächtigen der Patriotischen Union, deren Untersuchungshaft bei der Prüfung durch den Haftrichter am Bundesgerichtshof im Juli 2023 weiter aufrechterhalten blieb, gehörte auch Michael F. Der Polizist soll nach Ansicht der Bundesanwaltschaft Teil des „militärischen Armes“ der Patriotischen Union gewesen sein, die unter der Leitung des ehemaligen Bundeswehroffiziers Rüdiger von P. gestanden habe.

Im Zuge der Ermittlungen stellten Polizeibeamte insgesamt 362 Schusswaffen und 148.761 Munitionsteile sowie 347 Hieb- und Stichwaffen und 17 Sprengmittel sicher. „Nach der maßgeblichen Verdachtslage handelte es sich bei der Gruppierung um die Beschuldigten hochwahrscheinlich um eine terroristische Vereinigung“, heißt es im Beschluss des Haftrichters am Bundesgerichtshof.

Rebecca Seidler sagt, F. habe über seinen Anwalt aus der Untersuchungshaft heraus den Wunsch eines Gespräches mit ihr geäußert. Sie habe abgelehnt: „Wenn er Redebedarf hat, möge er sich an die Ermittlungsbehörden wenden, nicht an mich.“

Vertrauen der Betroffenen beschädigt

Rebecca Seidler erwähnt, dass ein Vertrauensverlust in Gänze nicht entstanden sei. Das liege auch an der jahrelangen und guten Zusammenarbeit mit der niedersächsischen Polizei. „Aber es gibt natürlich Mitglieder der jüdischen Community, die zuweilen Unsicherheiten und auch Skepsis haben bezüglich der Polizei“, stellt sie weiter fest.

Welche Folgen ein mangelndes Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden vonseiten der jüdischen Bevölkerung haben kann, zeigt erneut ein Blick nach Berlin. „Etwa 80 Prozent der Betroffenen zeigen selbst schwerwiegende antisemitische Vorfälle gar nicht erst an“, sagt die ehemalige Antisemitismusbeauftragte der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, Claudia Vanoni. Die Gründe, die Ermittlungsbehörden nicht einzuschalten, sind vielfältig: Neben dem bürokratischen Aufwand, den geringen juristischen Erfolgsaussichten und Sicherheitsbedenken sieht RIAS Berlin auch den Umgang von Polizist:innen als einen Faktor. Immer wieder hätten Berliner Beamt:innen beispielsweise bei der Aufnahme von Strafanzeigen die antisemitische Motivation von Vorfällen in Zweifel gezogen. Damit wird das Vertrauen der Betroffenen beschädigt.

Angesichts des Ausmaßes und der lückenhaften Strafverfolgung von antisemitischer Gewalt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Shoa ist es kaum verwunderlich, dass in den Jüdischen Gemeinden hierzulande wenig Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und Justiz besteht. Hier ist ein grundlegender Kulturwandel in den Strafverfolgungsbehörden notwendig: Von der Aufnahme von Strafanzeigen bis zur Gerichtsverhandlung muss den Opfern antisemitischer Straftaten nicht nur das Gefühl gegeben werden, dass man ihnen glaubt, wenn sie Bedrohungen und Angriffe als antisemitisch erfahren. Idealerweise müssen Gerichte Antisemitismus als Tatmotiv in Urteilsbegründungen benennen und nach Paragraf 46 Abs. 2 Satz 2 StGB strafschärfend bewerten.

Trotz alledem gilt es festzuhalten, dass die strafrechtliche Verfolgung von Antisemitismus nur dann ein Mittel sein kann, wenn es zu strafrechtlich relevanten Handlungen kommt – da antisemitisches Denken, Diskurse und Handlungen per se nicht zwangsläufig strafbar sind. Umso mehr braucht es eine starke Zivilgesellschaft, die Antisemitismus jedweder Richtung benennt und verurteilt.

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Lobbyismus: Wie Amazon seinen Einfluss in der EU ausbaut

netzpolitik.org - 28 November, 2023 - 06:00

Die Lobby-Ausgaben in der EU von Amazon sind für einen Tech-Giganten eher niedrig. Doch der Konzern entdeckt zunehmend andere Kanäle, warnen LobbyControl und andere NGOs. Sie werfen Amazon vor, nicht alle Verbindungen zu Denkfabriken offengelegt zu haben.

Ein Logistik-Zentrum von Amazon in NRW. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / snowfieldphotography

Amazon baut seinen Einfluss in der Europäischen Union massiv aus. Das ist das Ergebnis einer Recherche von LobbyControl, Corporate Europe Observatory und SOMO, einer niederländischen Nichtregierungsorganisation. Der Bericht der drei zivilgesellschaftlichen Organisationen zeigt, über welche Kanäle Amazon Lobbyarbeit macht – und beklagt mangelnde Transparenz.

Schaut man rein auf die Zahlen scheint der Einfluss von Amazon gar nicht so groß: Das Unternehmen hat 2022 zwischen 2,75 und drei Millionen Euro Lobby-Ausgaben im Transparenzregister der EU veranschlagt. Zum Vergleich: Apple hat sieben bis acht Millionen Euro gemeldet, Facebook-Mutter Meta sogar acht bis neun Millionen. Das „Big Tech“ insgesamt mehr Geld als früher für Lobbyismus bei der EU ausgibt, hatte LobbyControl bereits im September berichtet.

Bei LobbyControl wundert man sich über die Summe. Denn von den maximal drei Millionen Euro überwies Amazon 2022 etwa 77 Prozent an externe PR-Agenturen und Lobbyfirmen. Übrig blieben lediglich knapp 900.000 Euro, von denen Amazon alle anderen Lobby-Ausgaben für die EU, darunter elf Vollzeitstellen finanziert haben will. Auf eine konkrete Nachfrage zu der Summe hat Amazon laut LobbyControl nicht geantwortet.

Lobbyismus in Berlin und Paris

Der ausführliche Blick auf Bezos‘ Handelsimperium zeigt jedoch, dass die nackten Zahlen des EU-Transparenzregisters sowieso höchstens die halbe Wahrheit sind. Denn zum einen lobbyiert Amazon nicht nur in Brüssel, sondern auch bei den Regierungen der größten Mitgliedsstaaten. Laut LobbyControl hat das Unternehmen insgesamt 3,6 Millionen Euro für Lobbyismus in Deutschland (etwa 2,4 Millionen) und Frankreich (etwa 1,2 Millionen) ausgegeben.

Auch in anderen Mitgliedsstaaten ist Amazon aktiv. LobbyControl spricht von über 100 Treffen mit irischen Entscheidungsträger:innen seit 2017. Lobbyausgaben erfasse das irische Transparenzregister aber nicht. Der Lobbyismus in den Mitgliedsstaaten der EU ist nicht nur für nationale Plattformregeln oder kartellrechtliche Fragen relevant, sondern kann auch die EU-Ebene betreffen. Schließlich haben die nationalen Regierungen über den Ministerrat großes Mitspracherecht bei EU-Regeln.

Amazons Verbindungen zu Think Tanks. - Alle Rechte vorbehalten Corporate Europe Observatory Networking next level

Beim Lobbying ist Amazon dabei nicht auf sich alleine gestellt. Neben seinem eigenen Personal (umgerechnet elf Vollzeit-Stellen) vertraute Amazon im letzten Jahr auf die Unterstützung von 13 Lobbyfirmen. Auch über den direkten Lobbyismus hinaus habe Amazon sein Netzwerk ausgebaut. Während der Konzern 2021 nur Verbindungen zu zwei Denkfabriken in Brüssel gehabt habe, seien es mittlerweile 17 Stück, schreibt LobbyControl.

Die drei NGOs werfen Amazon vor, die Verbindung zu zwei der Denkfabriken nicht offengelegt zu haben. Sie haben deshalb eine Beschwerde beim Sekretariat des Transparenzregisters eingeleitet. „Amazon unterstützt zahlreiche Denkfabriken in Brüssel, teilweise, ohne dies offenzulegen. Teile dieser Denkfabriken verbreiten eine politische Agenda, die deutlich die Interessen von Big Tech spiegelt“, sagt Max Bank von LobbyControl zu netzpolitik.org. Zudem unterstütze der Konzern mehrere Verbände, die angeblich die Interessen von Startups vertreten, aber maßgeblich von Geldern großer Techkonzerne wie Apple, Amazon und Google abhängig sind.

Margarida Silva von SOMO kritisiert diese „massive und teilweise intransparente Lobbyarbeit“. Dies bedrohe den demokratischen Prozess. „Amazon muss dringend seinen Lobbyregistereintrag aktualisieren. Darüber hinaus sollten politische Entscheidungsträger die Stimmen schwacher Interessen wie kleiner und mittelständischer Unternehmen, Gewerkschaften und Verbraucherschützer proaktiv einholen, um einseitigem Lobbying entgegenzuarbeiten“, schreibt Silva.

TV-Spots gegen Image-Schaden

Die drei NGOs sehen in Amazons verstärkten Netzwerk-Aktivitäten die wachsende Sorge um das eigene Image. Dafür sprächen auch die Werbeausgaben des Konzerns. Amazon gab laut den drei NGOs im vergangenen Jahr über 19 Millionen Euro für einen TV-Spot aus. Amazon nehme enorm viel Geld in die Hand, um sein Image aufzupolieren, meint Bram Vranken von Corporate Europe Observatory. „Der Techkonzern hat aber zu Recht ein Imageproblem, sei es wegen schlechter Arbeitsbedingungen oder Steuertricks, und das versucht er mit Werbung zu verdecken.“

Max Bank sieht angesichts von Amazons Lobby-Bemühungen auch die Gesetzgeber:innen in Berlin und Brüssel gefordert: „Die Politik muss für Transparenz und Ausgewogenheit im laufenden Gesetzgebungsprozess sorgen.“ Digitalisierung müsse demokratisch gestaltet werden.

Und was sagt Amazon?

Gegenüber LobbyControl sagte ein Sprecher von Amazon allgemein: „Wir setzen uns für eine Reihe von Themen ein, die für unsere Kunden, Verkäufer und die verschiedenen Unternehmen, die wir betreiben, wichtig sind. Wir arbeiten mit Organisationen wie Handelsverbänden und Think Tanks zusammen und kommunizieren mit Beamten der EU-Institutionen. Wir aktualisieren regelmäßig unseren Eintrag im EU-Transparenzregister gemäß den Leitlinien.“

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Alles Deepfake: Bundeskanzler doch nicht entschlossen gegen die AfD

netzpolitik.org - 27 November, 2023 - 18:11

Das Zentrum für Politische Schönheit setzt das Thema AfD-Verbot mit einem Deepfake-Video des Kanzlers und einer Datenbank verfassungsfeindlicher Aussagen von AfD-Mitgliedern auf die politische Agenda. Doch die Bundesregierung debattiert lieber über die Methoden der Künstler als über deren Inhalt.

Auch mit einer Installation vor dem Bundeskanzleramt drängen die Aktionskünstler auf ein AfD-Verbot. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Metodi Popow

Die Aktionskunstgruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) fährt mal wieder in ihrer Paradedisziplin auf: eine Art Internet-Pranger, der eine politische Debatte auslöst. Thema der Aktion: das Verbot der rechtsradikalen Partei AfD. Dafür sammelt die Künstlergruppe verfassungsfeindliche Aussagen und Beweise von Parteimitgliedern und bündelt diese auf einer Seite im Internet.

Zum Start der Kunstaktion hat das ZPS ein Deepfake-Video veröffentlicht, in dem Bundeskanzler Olaf Scholz verkündet, dass er im Juni 2024 zum 5. Todestag des von einem AfD-Anhänger ermordeten CDU-Politikers Walter Lübcke einen Antrag zum Verbot der AfD einreichen wolle. In diesem Video, das wegen fehlender Lippensynchronität als Fake zu erkennen ist, zeigt sich Scholz ungewöhnlich entschlossen im Kampf gegen die rechtsradikale Partei.

Das Bundeskanzleramt hat mittlerweile über einen Regierungssprecher auf Twitter/X eine Warnung vor dem Video verbreitet: „Das Video ist nicht echt. Solche Deepfakes sind kein Spaß. Sie schüren Verunsicherung und sind manipulativ.“ Die Bundesregierung prüft laut Medienberichten rechtliche Schritte gegen die Aktion und nimmt vor allem das Deepfake-Video „sehr, sehr ernst“, man nehme das nicht auf die leichte Schulter. Das ZPS konterte, dass die Verunsicherung der Bevölkerung eher durch die Distanzierung des Kanzlers zum Video entstehe.

Vor dem Bundeskanzleramt präsentierte die Gruppe zum Auftakt der Aktion Fotos von AfD-Politiker:innen wie Björn Höcke oder Alice Weidel hinter Gittern. Über Lautsprecher werden dort Aussagen der Partei abgespielt.

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Herzstück der Kampagne ist allerdings die Webseite afd-verbot.de. Auf dieser sind tatsächlich Beweise von verfassungsfeindlichen Aussagen von prominenten Politiker:innen und Mitgliedern der rechtsradikalen Partei gesammelt und verschlagwortet. Die jeweiligen Personen werden in einer Art Gefängniskluft gezeigt. Zu ihnen sind jeweils öffentliche Aussagen verzeichnet, welche die Nutzer:innen der Webseite abfragen können.

Datenbank mit Aussagen der AfD

Bisher seien auf der Plattform über 1.500 Sachverhalte zu rund 350 Personen erfasst, die die Bedrohungslage, Dringlichkeit und Ernsthaftigkeit des Vorhabens unterstreichen würden, heißt es in einer Pressemitteilung des ZPS. Laut Aussage des ZPS sind alle gezeigten Personen Mitglieder der AfD. Auf der Seite können weitere Hinweise zu den Personen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen eingereicht werden.

Im Vorfeld der Aktion hatte das Zentrum für Politische Schönheit offenbar Briefe an AfD-Mitglieder geschickt und diese zur Meldung von verfassungsfeindlichen Parteigenoss:innen aufgerufen. Hierfür hatte das ZPS die Seite afdbund.de eingerichtet. Die Partei warnte laut rechten Medienberichten ihre Mitglieder am Samstag in einem Rundschreiben vor dieser Seite, äußerte sich jedoch nicht öffentlich.

Zu einer Zahl, wie viele Mitglieder der AfD angeschrieben wurden, wollten sich die Künstler:innen gegenüber netzpolitik.org nicht äußern. Es seien auf der Plattform bislang 400 „interessante“ Hinweise eingegangen, sagt das ZPS. Die Zahl lässt sich nicht unabhängig prüfen. Die AfD hat in ihrem Rundschreiben die Prüfung rechtlicher Schritte gegen das ZPS angekündigt, die Aktionskunstgruppe hat bislang nach eigenen Angaben keine Kenntnis von solchen Schritten und hat auch noch keine Abmahnung erhalten.

Debatte um Parteiverbot

Das Parteiverbot ist das schärfste Schwert, um verfassungsfeindliche politische Bestrebungen von Parteien zu bekämpfen. In der Bundesrepublik Deutschland wurde es erst zwei Mal ausgesprochen, einmal 1952 gegen die NSDAP-Nachfolgepartei SRP und 1956 gegen die kommunistische KPD. Ein Verbotsverfahren gegen die rechtsradikale NPD scheiterte 2003 wegen zu vieler Geheimdienst-Spitzel und 2017 erneut. Ein Grund war damals, dass die Nazi-Partei zu wenig Einfluss hatte.

Viel Einfluss hat die AfD mittlerweile. Sie steht in aktuellen Umfragen bundesweit bei über 20 Prozent und könnte bei Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern stärkste Partei werden. In Forderungen und Programmatik unterscheidet sich die AfD zwar kaum noch von NPD, sie versteckt allerdings gemäß der neurechten Strategie ihre Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut (€) besser und erweckt den Anschein von Bürgerlichkeit. Jahre auch medialer Normalisierung und beständiger Auftritte in Talkshows haben dazu beigetragen, dass die AfD im Gegensatz zur NPD nicht mehr durchgängig ein politischer Paria ist.

Rufe nach einem Verbot werden in letzter Zeit lauter. Mehr als 400.000 Unterschriften hat eine Petition gesammelt, die ein solches Verbot fordert. Auch der CDU-Politiker Marco Wanderwitz fordert seit längerem ein Verbotsverfahren, auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken brachte ein solches ins Spiel.

Verbotsverfahren möglich, Ausgang unklar

Ganze Landesverbände der AfD werden von Verfassungsschutzbehörden als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft, die Partei als Ganzes vom Inlandsgeheimdienst als „Verdachtsfall“ behandelt. Ein Gutachten von 2019, das netzpolitik.org im Volltext veröffentlichte, belegt verfassungsfeindliche Aussagen.

Ein Verbotsverfahren gegen die erstarkte und sich radikalisierende Partei ist sowohl im Bund als auch auf Landesebene denkbar, zum Beispiel in Thüringen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte kommt in einer Studie (PDF) zum Ergebnis, dass ein AfD-Verbot juristische Chancen habe: „Der Programmatik liegt ein national­ völkisch verstandener Volksbegriff zugrunde, der Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit unterscheidet und damit vom Volks­begriff des Grundgesetzes abweicht und mit Artikel 1 Absatz 1 GG nicht zu vereinbaren ist“, heißt es in diesem Gutachten. Die Studie kommt zu dem Schluss: „Im Fall der AfD, die das Ziel verfolgt, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, liegen die Voraussetzungen für ein Ver­bot vor.“

Über ein Verbotsverfahren wird auf Antrag von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, der Ausgang bei der AfD ist unklar. Gegner:innen eines Verfahrens argumentieren, dass die Partei zu groß sei, dass man die rechtsradikalen Einstellungen nicht mit einem Verbot verdrängen könne und dass ein gescheitertes Verbot die Partei weiter stärke. Befürworter:innen sehen hingegen eine Chance, die rechtsradikale Partei von materiellen Zuwendungen abzuschneiden, ihre Organisationsfähigkeit zu beschränken und so Demokratie und Grundgesetz vor der Partei zu schützen.

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OpenStreetMap, Komoot & Co.: Sorge vor Datenkahlschlag für Karten-Apps

netzpolitik.org - 27 November, 2023 - 17:36

Das geplante Bundeswaldgesetz könnte das freie Geodaten-Projekt OpenStreetMap treffen, Sorgen haben auch kommerzielle Anbieter wie Komoot. Auf dem Spiel steht, ob Nutzer:innen weiterhin neue Wege kartographieren können – oder ob sie um Erlaubnis fragen müssen.

Das geplante Bundeswaldgesetz könnte ändern, wie und wo wir wandern – und wie freie Commmunity-Projekte wie OpenStreetMap funktionieren. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Jon Flobrant

Es sind fast philosophische Fragen, die die geplante Novelle des Bundeswaldgesetzes aufwirft. Was ist ein Wanderweg? Wer darf neue Wege mit dem Smartphone anlegen? Und bilden Karten-Anwendungen einfach nur die Realität ab oder schaffen sie eine neue?

Seit über einer Woche sorgt ein durchgesickerter Referentenentwurf aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) für Aufregung. Zuerst darüber berichtet hatte das Branchenmagazin forstpraxis.de, seitdem zieht der scheinbar obskure Gesetzentwurf jedoch weite Kreise.

Stehen wir vor dem „Ende des Mountainbikens, wie wir es kennen?“, fragt etwa das Fachmedium mtb-news. Anderswo drohen Waldbauern mit Protesten, auch wenn ihnen anderes an dem Entwurf missfällt als den radbegeisterten Sportler:innen. Und im Forum des freien Geodaten-Projekts OpenStreetMap (OSM) zerbrechen sich die Nutzer:innen die Köpfe, ob und in welcher Form ihnen das gesetzliche Vorhaben Steine in den Weg legen wird – und sie bestimmte Routen künftig nicht mehr kartographieren und der Allgemeinheit frei zur Verfügung stellen können.

Gesetzentwurf verunsichert Community

„Wenn es nach dem Wortlaut des Entwurfs geht, dann sind wir definitiv betroffen“, sagt Roland Ramthun von OSM. Konkret geht es um Paragraf 33. Demnach soll das „Anlegen oder Eröffnen von neuen Wegen, Fußpfaden, Trails oder Fahrspuren im Wald durch Dritte“ nur mit Zustimmung der Waldbesitzer:innen zulässig sein. Zudem sollen Behörden die „erstmalige Ausweisung und Markierung“ bestimmter Pfade „auf bestehenden Wegen außerhalb bereits ausgewiesener Wanderwege“ genehmigen müssen. Und schließlich folgt Absatz drei:

Das erstmalige digitale Anzeigen oder digitale Ausweisen von noch nicht vorhandenen Pfaden sowie von Wildwechseln, Fußpfaden, Rückegassen oder Fahrspuren als virtuelle Routen oder Trails durch bislang weglose Flächen im Wald bedarf der Zustimmung des Waldbesitzenden und der Genehmigung der zuständigen Behörde.

Was diese Passage genau bedeutet, bleibt vorerst Auslegungssache. Im schlimmsten Fall könnte sie aber drastische Auswirkungen haben: „Wer mit seinem Smartphone seine Route trackt, oder einfach nur ein Foto in den sozialen Medien teilt, der kann bei falscher Voreinstellung schnell mit einem Verbotstatbestand konfrontiert werden“, sagte etwa Heiko Mittelstädt von der Deutschen Initiative Mountainbike zu Heise Online.

Etwas vorsichtiger gibt sich Jochen Topf vom Verein FOSSGIS, dem deutschen Ableger des OSM-Projekts („Local Chapter“). Gleichwohl weist er darauf hin, dass die vorgesehenen Regelungen „doch sehr weit zu gehen“ scheinen. „Sie sind unseres Erachtens unklar formuliert, für eine Einschätzung, wie sich das auf OSM auswirkt, ist es daher noch zu früh“, sagt Topf.

Der Verein werde sich nun weiter intern und mit anderen Organisationen abstimmen und dann das Gespräch mit den zuständigen Stellen suchen, so Topf. Laut dem Landwirtschaftsministerium befindet sich der Gesetzentwurf ohnehin noch in einem frühen Stadium, Gespräche auch mit Plattformanbietern soll es im Rahmen der Länder- und Verbändeanhörung geben.

Wandern mit Internet-Empfehlungen

Wer sich in den anstehenden Verhandlungen durchsetzen wird, bleibt derweil offen. Immerhin geht es in der umfassenden Novelle des fast 50 Jahre alten Bundeswaldgesetzes zu einem guten Teil um Naturschutz – und auch um die Interessen von Waldbesitzer:innen, denen informelle Trampelpfade auf ihren Grundstücken mitunter ein Dorn im Auge sind.

Denn das Problem, das das Gesetz offenbar adressieren soll, ist real: Immer wieder schicken Kartenanwendungen ihre Nutzer:innen auf illegale Wanderwege, etwa durch Naturschutzgebiete, oder gar auf gefährliche Routen.

Wohl nicht umsonst hat forstpraxis.de den betreffenden Abschnitt im Entwurf „Komoot-Paragrafen“ getauft. Die gleichnamige Navigations-App ist ein beliebtes Hilfsmittel für Wanderungen, Radtouren und sonstige Outdoor-Aktivitäten. Weite Teile des Datenmaterials stammen aus dem OSM-Projekt, die Routen erstellen der Anbieter und die Nutzer:innen allerdings selbst.

„Uns als OSM ist bewusst, dass immer wieder Konflikte zwischen Waldbesitzern und Naturparks auf der einen Seite und Waldbesuchern auf der anderen Seite gab und gibt und dass OSM-basierte Karten und Apps dabei eine Rolle spielen“, sagt Jochen Topf. Dazu soll es schon auf diversen Ebenen Gespräche gegeben haben, die „aus unserer Sicht sehr einvernehmlich und lösungsorientiert geführt wurden“, so der OSM-Verantwortliche.

Metadaten sollen Abbildung verbessern

Grundsätzlich würden OSM-Nutzer:innen die Realität erfassen, wie sie sie „draußen“ wahrnehmen, erklärt Topf. Ein Weg sei erstmal ein Weg, ob es ihn nun offiziell gibt oder ob es nur ein Trampelpfad ist, der vielleicht nicht auf den ersten Blick als solcher erkennbar ist. Das spiele aber keine Rolle, so Topf, denn bereits existierende Wege sollte man auch in Karten eintragen dürfen. Ein solches Verbot würde es in Deutschland nicht einmal für sicherheitsrelevante Einrichtungen geben, sagt Topf.

Zudem ist es mit dem Eintragen einer neuen Route meist nicht getan. Oft fügen OSM-Nutzer:innen weitere Attribute hinzu, etwa die Bodenbeschaffenheit oder einen Hinweis, dass ein Weg gesperrt wäre. „Bei vielen Konfliktfällen, die wir in den letzten Jahren gesehen haben, ging es darum, dass solche Zusatzattribute entweder noch nicht erfasst wurden oder zwar erfasst waren, aber beim Anbieter einer Karte oder einer Navi-App dieses Attribut nicht ausgewertet wurde“, sagt Topf.

Es gebe immer wieder Abstimmungsbedarf zwischen der OSM-Community und den Datennutzern, so Topf, ohne konkrete Anwendungen zu nennen. Schon allein, weil sich OSM immer weiterentwickle und neue Anforderungen aufgenommen werden müssten. Zum Beispiel sei derzeit noch nicht so klar, wie mit vorübergehenden Sperrungen umzugehen ist.

Komoot will raus aus der Schusslinie

Komoot wiederum verweist darauf, die auf OSM verzeichneten Wege wöchentlich über die OSM-API zu importieren beziehungsweise zu aktualisieren. „Dabei greifen wir in großem Umfang auf OSM-Attribute zu und interpretieren diese“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Neben Informationen zu Wegtypen oder Wegbeschaffenheiten würden dabei auch Informationen zu Schutzzonen, Verboten oder Sperrungen aus OSM übernommen.

Die sportspezifischen Routen erstellt Komoot hingegen selbst. Laut Sprecherin zieht das Unternehmen dazu die aus OpenStreetMap ausgelesenen Informationen heran, hinzu kommen von Nutzer:innen erstellte Highlights. „Dabei werden Routen prinzipiell nur auf dem existierenden Wegenetz geplant, wobei wir neben Wegtypen, Untergründen oder Beschaffenheiten auch Naturschutzgebiete, Wegsperrungen, Privatwege sowie die technische Schwierigkeit von Wegen nach SAC Wanderskala und weitere Beschränkungen berücksichtigen“, beteuert die Sprecherin.

Zu dem geleakten Entwurf will sich Komoot jedenfalls nicht äußern. Die Hoffnung liegt nun auf dem weiteren Gesetzgebungsprozess und den angekündigten Gesprächen. „Dass die Umsetzung von einem Entwurf zu einem Gesetz geschieht, ohne dass wichtige Stakeholder in diesen Prozess und Dialog involviert sind, wäre sehr unüblich“, sagt die Komoot-Sprecherin.

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X-Odus: Immer mehr Medien machen Schluss mit Twitter

netzpolitik.org - 27 November, 2023 - 15:47

Von Krankenkassen über große Städte bis hin zu Universitäten laufen der Plattform X die Nutzer weg. Nun kehrt mit Correctiv die erste größere Redaktion Elon Musk aus Protest den Rücken. Auch andere Medien verabschieden sich oder überlegen, ob sie noch weitermachen.

Symbolbild Twitter/X – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Aton Chile

Mit der Rechercheplattform Correctiv verlässt das erste größere Medienprojekt in Deutschland Elon Musks soziales Netzwerk X, das früher einmal Twitter hieß. Correctiv begründet den Schritt mit der Zunahme von Desinformation und Hassinhalten und dem Verhalten des Eigentümers Elon Musk, der selbst rassistische, antisemitische und populistische Inhalte verbreite. Mit dem Ende der Nutzung will die Redaktion ein Zeichen setzen. Correctiv hatte bei Twitter/X knapp 120.000 Follower. Der Account wird nicht gelöscht, sondern nicht weiter bespielt.

„Einst war Twitter informativ, gar lustig, später in Protestbewegungen sogar lebenswichtig, um Botschaften an die Öffentlichkeit zu senden. Inzwischen breiten sich Hass und Desinformation unkontrolliert aus, auch weil Elon Musk dies bewusst zulässt und sogar befeuert. Ein konstruktiver Diskurs ist auf der Plattform nicht mehr möglich“, sagt Justus von Daniels, Correctiv-Chefredakteur in einer heute versendeten Pressemitteilung.

X-Odus nimmt Fahrt auf

Bei Twitter zeichnet sich seit Monaten ab, dass immer mehr große und wichtige Accounts der Plattform den Rücken kehren. Im Oktober verabschiedete sich die Deutsche Wikimedia von X, zuvor hatte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Plattform verlassen und gleichzeitig andere Behörden aufgerufen, es ihr gleichzutun.

Staatliche Behörden wie die Bundesstiftung Gleichstellung, aber auch die Accounts des Oberlandesgerichts Karlsruhe oder der Landkreis Stade haben sich mittlerweile von Twitter verabschiedet. In anderen Städten von Köln bis Buxtehude wird über diesen Schritt nachgedacht.

Auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie die Aidshilfe oder die Neuen deutschen Medienmacher:innen haben X verlassen, ebenso mehrere juristische Verbände wie der Deutsche Juristinnenbund oder die Neue Richtervereinigung.

Auch bei Universitäten gerät etwas in Bewegung: So hat die Uni Bremen X verlassen oder die Universität Innsbruck in Österreich. An anderen Universitäten wie in Leipzig sind es Untereinheiten wie die Bibliothek, die sich von X zurückziehen. Aber auch Institutionen wie Krankenkassen hören bei X auf. Die Begründung ist immer die gleiche: menschenverachtende Inhalte und Desinformation.

Immer mehr Journalist:innen und Medien verlassen X

Obwohl große Medien die Lage bei Twitter als katastrophal bewerten, zögern diese bislang noch mit dem finalen Schritt. Dies hatte eine kleine Umfrage unter Medienhäusern und Journalist:innen von netzpolitik.org ergeben. Bislang haben eher kleinere Redaktionen wie das Y-Kollektiv oder das Social Media Watchblog X den Rücken gekehrt. Auch das Hauptstadtstudio des Deutschlandfunks setzte seinen Account auf inaktiv, ebenso entschied sich jüngst die Redaktion der Sendung Breitband von Deutschlandfunk Kultur, ihren Twitter-Kanal nicht länger zu betreiben.

In den Redaktionen setzen auch zunehmend einzelne Journalist:innen ihre Accounts auf inaktiv, wie Hanning Voigts von der Frankfurter Rundschau. Und auch bei netzpolitik.org haben mehrere Redakteur:innen das Posten von Nachrichten bei X aus Protest eingestellt. Den Twitter-Account einzustellen, ist ein allgemeiner Trend. Jede:r dritte Nutzer:in erwägt diesen Schritt derzeit.

Doch Twitter/X laufen nicht nur die Nutzer:innen weg. Musks Plattform hat derzeit bei den Werbekunden mit einer Abwanderung bekannter Marken und Unternehmen zu kämpfen. Zuletzt hatten Marken wie Apple, IBM, Disney, Warner Brothers, Paramount Global und Sony ihren Rückzug aus dem Werbegeschäft auf der Plattform angekündigt. Auch die EU-Kommission will nicht mehr bei X werben.

Der Rückzug der Werbekunden geschieht einerseits nach einem Tweet, in dem Musk eine antisemitische Verschwörungsideologie begrüßte und Werbung großer Firmen im direkten Umfeld von Nazi-Inhalten auf X gezeigt wurden. Auch das Weiße Haus kritisierte Musks Antisemitismus.

Und was macht netzpolitik.org?
Auch in der Redaktion von netzpolitik.org diskutieren wir derzeit über den Umgang mit Twitter/X. Viele Stimmen im Team plädieren für den Rückzug, andere (noch) für den Verbleib. Reichweite spielt dabei überhaupt keine Rolle mehr, es geht eher um die immer noch hohe Präsenz anderer Journalist:innen, Medien, Politik und der (internationalen) Zivilgesellschaft auf der Plattform. Mehrere Redakteur:innen von netzpolitik.org haben ihre Accounts auf inaktiv gesetzt und nutzen diese nur noch zur Recherche.

Schon lange pflegen wir einen Redaktionsaccount von netzpolitik.org bei Mastodon, seit neuestem auch bei Bluesky. Bei Mastodon sind die Interaktionen deutlich höher als bei den anderen Netzwerken. Auch viele Redaktionsmitglieder haben Accounts bei Mastodon und/oder Bluesky. Twitter wird immer unwichtiger, berichten auch hier alle.

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Urheberrecht: Ein teures Badewannenfoto

netzpolitik.org - 27 November, 2023 - 08:37

Ein längst vergessenes Facebook-Posting mit Badewannen-Fotomotiv kostete einen Handwerker aus Berlin mehrere Tausend Euro. Nach mehreren Instanzen vor Gericht steht fest: Er muss dem Fotograf Schadensersatz zahlen. Dabei wollte er nur auf eine Spendenaktion hinweisen, sagt Christian Remus.

Nicht nur analoge Badewannen können viel Geld kosten. – CC-BY-SA 3.0 Badezimmer: Gürkan Sengün

Christian Remus ist Installateurmeister, er kümmert sich in seinem kleinen Berliner Unternehmen um Gas- und Wasserinstallationen. Für seine Firma betreibt er auch eine Facebook-Seite. Dort hat er ab und an Bilder von Rohrbrüchen gepostet, von frisch installierten Bädern oder auch mal andere Dinge mit Bezug zu seinem Handwerk, Nachrichtenartikel zum Beispiel. Ende 2015 war es das Bild einer Badewanne, das ihn später etwa 10.000 Euro kosten wird.

„Ich war auf der Suche nach Badewannen“, erzählt Remus. „Da habe ich gegoogelt und bin auf ein Bild gestoßen.“ Dahinter verbarg sich ein Spendenkalender – mit Akt- und Badewannenfotografien. Es sollte auf die Wasserknappheit in Afrika aufmerksam machen, die Fotos stammen von einem Fotokünstler. Remus fand die Idee mit dem Kalender gut. „Ich habe eins von den Motiven mit meinem Facebook-Account gepostet und das Projekt verlinkt, wo man den Kalender kaufen konnte“, sagt er.

Post vom Anwalt

Sechs Jahre später, er hat den Facebook-Post längst vergessen, bekommt er Post von einem Anwalt.

In dem Brief befindet sich eine Abmahnung. Remus soll eine Unterlassungserklärung abgeben. „Als ich den Brief öffnete, habe ich mir fast in die Hosen gemacht“, sagt er. „Ich hatte ja keine Ahnung.“ An das Foto hatte er schon lange nicht mehr gedacht. Den Post habe er sofort gelöscht und die Unterlassungserklärung unterschrieben, berichtet Remus weiter. Eine Geldforderung stand in dem ersten Schreiben nicht. Er hoffte, dass sich die Sache damit erledigt hätte.

Doch es dauerte nicht lange und Remus hatte erneut Post. Er sei vertragsbrüchig geworden, habe gegen die Unterlassungserklärung verstoßen und soll nun 2.500 Euro für die Verletzung der Unterlassungserklärung zahlen. Er fragte sich: Wie kann das sein, wo er den Post doch gelöscht hatte? Das Problem: Auf seiner Facebook-Seite war es nicht mehr zu finden, doch als Vorschau in den Google-Suchergebnissen tauchte das Bild weiterhin auf.

Später kam noch eine Forderung über 3.258 Euro Schadensersatz dazu, bemessen nach einer angenommenen Gebühr. Sie wäre nach Ansicht der gegnerischen Anwälte jährlich angefallen, hätte Remus eine Lizenz erworben, um das Bild gewerblich zu nutzen. Dazu noch die Anwaltskosten. Insgesamt stand die Summe nun schon bei 7.500 Euro.

Mühsame Detektivarbeit

„Ich habe das Gefühl, die haben mich einfach ins offene Messer laufen lassen. Mir war das gar nicht bewusst, dass so etwas noch woanders gespeichert ist.“ Doch Remus setzt sich sofort hin und versucht, das Bild aus den Suchergebnissen zu bekommen. Bis das klappt, dauert es ein paar Tage, doch da gibt es schon das nächste Problem.

„Weiter unten tauchte das Bild dann erneut auf, denn irgendein Branchendienst hatte die Inhalte auf meiner Facebook-Seite eins zu eins kopiert. Das Profil da habe ich aber selbst nie angelegt.“ Also recherchiert er wieder, versucht die Verantwortlichen der Seite zu finden und anzuschreiben, damit auch dort das Bild verschwindet.

Den Betrag findet der Installateurmeister jedoch zu hoch und holt sich rechtlichen Beistand. Er sah seinen Post gerade nicht als Werbung für sich selbst, sondern vielmehr für das Spendenprojekt. Dass dem Künstler ein so hoher Schaden entstanden sein könne, fand er nicht nachvollziehbar. Doch der Künstler reichte Klage bei der Zivilkammer des Landgerichts Köln ein.

Berichterstattung oder nicht?

Anwältin Beata Hubrig vertritt Remus, sie schätzt seinen Post als Berichterstattung ein. Damit würde eine spezielle Regelung des Urheberrechtsgesetzes gelten. Sie gestattet die Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken in bestimmtem Umfang, wenn es um Tagesereignisse geht. Der Kläger habe sich selbst mit anderer Berichterstattung von Medien über seinen Kalender geschmückt, auch die nutzten entsprechende Bilder. „Der viel zu teure Post hat den selben Inhalt, nur kürzer“, schreibt Hubrig.

Remus „nutzte das Foto nicht, um seine Webseite damit zu schmücken oder seinen Account damit zu verzieren. Er unterstützte die Verbreitung des Spendenkalenders, damit mehr Menschen von diesem erfahren. Er kommunizierte schlicht über das Spendenprojekt – wie viele andere Medien auch.“ Das Landgericht Köln schätzte die Lage anders ein und verurteilte Remus schließlich im Februar 2023 zu einer Schadensersatzzahlung von 3.258 Euro.

Er habe das Bild als Werbemaßnahme benutzt und könne sich nicht auf eine Berichterstattung berufen, auch wenn er die Seite zum Kalender verlinkt hat. Er sei Handwerker und kein Medienschaffender, der entsprechende Paragraf 50 des Gesetzes gelte für ihn nicht. Auch die Schadensbemessung sei angemessen. Das Landgericht hatte dafür mögliche Lizenzgebühren für eine gewerbliche Nutzung für den langen Zeitraum von sechs Jahren zugrunde gelegt. So lange war der Post online.

Gescheiterte Berufung

Remus ging in Berufung, doch die wies das Oberlandesgericht Köln schnell zurück. Das „künstlerisch wertvolle Foto ist geeignet, den Inhalt seiner Business-Facebookseite aufzuwerten“. Die Richter:innen gehen von „Aufmerksamkeits-Werbung für sein Handwerk und seine Dienstleistungen“ aus. Auch die Schadensersatzkosten aus den angenommenen Lizenzkosten halten sie für angemessen.

Anwältin Hubrig ist sauer, dass das Gericht so „pauschal urteilt“, wie sie findet. „Sich lediglich auf eingereichte Rechnungen des Künstlers für Auftragsarbeiten zu verlassen und losgelöst vom Sachverhalt einen pauschalen Schaden zu schätzen, ist an Faulheit, meiner Ansicht nach, nicht zu übertreffen“, schreibt Hubrig. Laut OLG war das Landgericht nicht verpflichtet, den Schaden exakt zu berechnen, da die Lizenzanalogie im Gesetz vorgesehen sei.

Ihrer Erfahrung nach gebe es in vielen Fällen von Urheberrechtsstreitigkeiten ähnliche Probleme. „Es findet weder eine Entwicklung in der Rechtsprechung statt, also eine Konkretisierung der Urheberrechts-Schranke für den Bereich Berichterstattung, noch wird überhaupt wahr genommen, dass hier Grundrechte miteinander kollidieren.“

Ein eigener Badewannen-Kalender

Remus macht das zu schaffen.

„Jetzt soll ich dem Kläger knapp 8.000 Euro für ein Foto auf Facebook zahlen, nochmal fast 2.000 Euro für seinen Anwalt und Gerichtskosten kommen auch noch dazu“, sagt Remus. Das ist viel Geld für den Installateurmeister, daher habe er nun seine Altersvorsorge aufgelöst. Und einen eigenen Kalender für das Jahr 2024 entworfen, mit Badewannen, die ihm in seiner eigenen Arbeit begegnet sind.

Hoffnung auf Erfolg vor Gericht haben er und Hubrig nicht mehr: Eine Verfassungsbeschwerde, die sie nach der gescheiterten Berufung eingereicht hatten, wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Wer einen Abdruck des Badewannenkalenders von Christian Remus haben und ihn damit finanziell unterstützen will, kann sich bei ihm per Mail melden. Weitere Informationen zum Fall präsentierte Beata Hubrig auf der diesjährigen re:publica in einem Talk.

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Breakpoint: Hass hat einen Namen

netzpolitik.org - 26 November, 2023 - 12:00

Mein Bekannter postet Hasskommentare im Netz. Woher ich das weiß? Er tut das unter seinem Klarnamen. Hier braucht es keine weitere Regulation des Internets, sondern etwa Zivilcourage.

Hass findet auch unter Klarnamen statt. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Nsey Benajah

„Ich kann keine Jacken finden, die an meinen Hüften schließen – also habe ich meine eigene designt“, lautet der Text des Videos, über das ich auf Instagram stolpere, ursprünglich auf Englisch. Es zeigt eine junge Frau, die ihren neuen Hoodie präsentiert. Es ist der wahrscheinlich hundertste Clip, den ich heute ansehe. Und ich finde ihn uninteressant: Es ist ein Werbevideo wie Tausende andere an diesem Tag.

Als ich gerade weiterscrollen will, poppt ein vorgeschlagener Kommentar in der unteren Ecke meines Bildschirms auf: „Eat less“. Iss weniger. Unverschämt, denke ich. Ich lese den Nutzernamen; und stelle fest: Ich kenne den Kommentator. Ich habe vor wenigen Monaten gemeinsam mit ihm Abitur gemacht. Nennen wir ihn in diesem Text Patrick Hansar. 
 
In seinem Profil stehen sowohl sein Vor- als auch sein Nachname: Es ist kein Namensvetter, es ist wirklich mein Bekannter. Ich scrolle weiter durch die Kommentarspalte des Hoodie-Videos. Dort schimpfen Kommentator:innen auf dicke Menschen, auf Frauen, auf Personen, die ein Leben führen, das den Fremden im Internet missfällt. Wenige der Kommentare sind positiv, kaum einer geht auf das beworbene Produkt ein.

Ein User fragt, weshalb die Nutzer:innen in der Kommentarsektion so feindselig seien, was sie denn gegen dicke Menschen einzuwenden hätten? Wieder sticht mir ein Post von Patrick ins Auge: Sie seien „eine Last für die Gesellschaft“, steht da.
 

Jauchegruben menschlichen Umgangs

Ich bin schockiert. Nein, angewidert. Ich antworte auf seinen Kommentar und konfrontiere ihn mit seiner Hassnachricht. Das hätte ich bei einem Fremden nicht getan. Nach einer kurzen Diskussion löscht er seinen ersten Kommentar, der andere bleibt stehen. Einige Tage später sehe ich wieder einen abwertenden Kommentar von Patrick, unter dem Video einer anderen Creatorin. 
 
Dass online gegen marginalisierte Gruppen gehetzt wird, ist nicht überraschend. So wie auch im analogen Leben, werden im Netz Menschen mit Behinderung, Frauen, Queere oder Dicke, POCs und Arme Zielscheiben willkürlichen Hasses. Gerade die Kommentarspalten auf Instagram mutieren allzu oft zu Jauchegruben menschlicher Umgangsformen. 
 
Erst Anfang November fand ein kurzer Videotrend auf Instagram statt: User:innen präsentierten die Kommentarsektionen unter ihren Videos und verglichen diese mit denen auf anderen Plattformen. Sie zeigten ihrem Publikum so, welche Äußerungen sie täglich in den sozialen Medien erleben. Sie schienen es gewohnt zu sein, für Videos aller Art, für jegliches willkürliche Detail angefeindet zu werden. In den Videos – und wiederum in den Kommentaren unter den Posts – scherzen die User:innen darüber, wie rau der Umgangston in den sozialen Medien sei.

Ein Hasskommentar kommt selten allein

Dabei ist auffällig, dass Hasskommentare unter Posts oftmals gehäuft vorkommen; seltener finden sich einzelne Anfeindungen. Die Ziele scheinen beliebig: Hauptsache es gibt die Möglichkeit, jemanden herabzuwürdigen, zu beleidigen oder zu verhetzen. Es wirkt zufällig, ob Urheber:innen eine Hasswelle erleben müssen oder die Kommentare positiv bleiben. 

Die Räume in den sozialen Medien funktionieren wie eine Echokammer. Die User:innen fühlen sich bestätigt und ermutigt, wenn andere ihre Meinung teilen. So vermehrt sich der Hass in einer Kommentarspalte schnell – besonders, wenn er unwidersprochen bleibt. 
 
Wolfang Schäuble hat einmal behauptet: „Anonymität ist immer die Versuchung zur Hemmungslosigkeit“. Damit wollte er sagen, dass Anonymität Menschen zu etwas verleitet, was sie sonst nicht tun würden. In diesem Fall bezog sich Schäuble auf Hasspostings online. Unter dieser Prämisse plädierte der ehemalige Bundestagspräsident 2020 für die Einführung einer Klarnamenpflicht für die Nutzung sozialer Medien. Der Gedankengang dabei: Wer nicht anonym ist, hat größere Hemmungen, die eigene Hetze ins Netz zu tragen.
 

Für Hass stehen sie mit ihrem Namen

Dass das eine Fehlannahme ist, demonstriert eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahr 2016: Sie ergab, dass Nutzer:innen, die online unter ihrem Klarnamen auftraten, häufiger aggressive Kommentare schrieben als User:innen unter Nickname. Damals waren Patrick von Instagram und ich rund zehn Jahre alt, doch an Aktualität hat die Erhebung nicht verloren.

Gerade auf Twitter kann man erschreckende Kommentare der politischen Rechten unter den Posts von Nachrichtenportalen oder Regierungsvertreter:innen betrachten: Martina Schneider denkt über die Ampel-Koalitionäre: „Diese Irren gehören in die Anstalt!!“ Ihren Namen haben wir wie die der folgenden Kommentator:innen geändert.

„Volksverräter!“, findet hingegen Gerd Maschner. Joachim Fleischer meint über Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang: „Die ‚Blenderin‘ schwatzt wieder von Dingen, die sie nicht versteht“. „Frau Baerbock, Sie und die Bundesregierung sind eine Schande für Deutschland“, erklärt Maik Kreitz unter einem Tweet der Außenministerin. Auch Michael Braun ist der Meinung: „Na dann muss halt auch das Bundesbambi @ABaerbock über ihren Schatten springen […]“.

Diese Kommentare haben die User:innen unter Namen veröffentlicht, die augenscheinlich ihre Klarnamen sind. Vielleicht haben einzelne einen anderen vermeintlichen Namen angegeben. In der Bio ihrer Accounts kann man nichts selten auch ihren Wohnort, Familienstand und Hobbys nachlesen: „Familienvater“, steht da. Oder „TSG-Fan“. Oder „Ost-Friese mit Leib und Seele“. 

Mehr Courage wagen

Ihre Hetze leben viele Hasskommentierende nicht etwa aus, weil sie glauben, im Netz ihre Identität verwischen zu können – ganz im Gegenteil: Sie hetzen offenbar, um sich zu profilieren. Oder: Es ist ihnen schlichtweg egal. Denn sie wissen, dass sie für ihre Ausfälle in den meisten Fällen keine Konsequenzen befürchten müssen. Eine Klarnamenpflicht kann Hass und Hetze im Netz nicht beseitigen. Es müssen nicht die Accounts, sondern ihre Inhaber reguliert werden.

Das bedeutet, politisch gegen rechtsradikale Netzwerke anzugehen. Es bedeutet, strafrechtlich relevante Inhalte zu ahnden. Und diejenigen ernst zu nehmen, die sie anzeigen. Es bedeutet, bei Diskriminierung nicht still zu bleiben und Mobbing nicht zu ignorieren, wenn man es beobachtet. Es ist Zeit für mehr politische und gesellschaftliche Courage, statt Freiheitsrechte immer weiter zu beschränken. 

Denn das Problem sind nicht die sozialen Medien. Das Problem ist nicht, dass Menschen im Netz anonym sein dürfen. Das Problem ist, dass sich Personen online sicher dabei fühlen, Hass zu schüren – auch ohne anonym zu sein.

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Alltägliche Wahrheiten: Goodbye Twitter!

Blogs - 28 August, 2018 - 19:42

Soeben habe ich meinen Twitteraccount deaktiviert. Gerne hätte ich ihn komplett „gekillt“. Das ist erst nach weiteren 30 Tagen möglich.

Screenshot meines Twitterprofils

 

 

 

 

 

Weil man acht digitale Jahre nicht so einfach auf den persönlichen Müllhaufen werfen kann, hatte ich mich jetzt zwei Wochen lang damit schwergetan. Das persönliche Faß zum Überlaufen gebracht hat die Twitterblockade der Tweets von Digitalcourage e.V. zum Aktionstag #SaveYourInternet am letzten Wochenende.

Auch ohne meinen Account bei mastodon hätte ich das jetzt gemacht. Dort erreicht man mich jetzt unter Oreo_Pirat@mastodon.social in einer vom Umgangston her wesentlich entspannteren und freundlicheren Atmosphäre.

Ich will und kann niemandem Vorschriften machen, ob und wie er/sie Twitter weiter nutzt. Meine Weggefährten aus den letzten Jahren habe ich charakterlich und politisch so in Erinnerung, dass auch sie bald das Richtige mit ihrem Twitteraccount machen werden.

 

 

 

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Bewild-Online.de - Mein Stift, mein Zettel, mein Blog!: Deutschland im Jahr 2018

Blogs - 28 August, 2018 - 13:04

Ein Mensch ist ermordet worden. Das wäre der Zeitpunkt, am Ort des Geschehens eine Kerze zu entzünden, Hinterbliebene zu unterstützen, dem Opfer zu gedenken. Die Strafverfolgung, die Verurteilung und die Vollstreckung des Urteils ist und bleibt in Deutschland Angelegenheit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Gerichte.

Statt dessen macht sich ein Mob auf den Weg in die Innenstadt um allen zu zeigen „wer in der Stadt das Sagen hat“. Mit dabei: polizeibekannte gewaltbereite Hooligans. Ein MdB der AFD ruft auf Twitter zur Selbstjustiz als Bürgerpflicht auf, Augenzeugen berichten von Gruppen die durch die Stadt laufen und zum „Kanakenklatschen“ aufrufen. Jagdszenen. 26 Jahre nach den Anschlägen von Rostock-Lichtenhagen, fast auf den Tag genau.

Mit dem Mord an einem 35jährigen hat das alles zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr zu tun. Ich verwette meinen Hintern darauf, dass beträchtliche Teile der fast 1000 „besorgten Bürger“ die in Chemnitz aufmarschierten, erst im Nachhinein überhaupt von dem Mordfall erfahren haben. Das war den meisten wohl auch völlig egal.

Wir sprechen nicht von einer legitimen Demonstration die einen Mangel an öffentlicher Sicherheit anprangert. Wir sprechen hier von einem wütenden Mob, der nur auf den richtigen Moment wartete, um endlich zu starten.

Wir sprechen hier nicht mehr von „besorgten Bürgern“, „Islamkritikern“, „Fußball-Ultras“ oder „Verlierern des Systems“. Wir sprechen von Leuten wie Frau Faschner [1], die ihre Abneigung gegen Ausländer mit „Weil man ja gegen irgendwen sein muss, und mit denen ist es einfach“ begründet. Wir sprechen von Menschen die „Ausländer raus“, „Deutschland den Deutschen“ und „Schlagt den Roten die Schädeldecke ein“ brüllen [2] und/oder in aller Öffentlichkeit und bestimmt nicht in satirischem oder künstlerischem Kontext den Hitlergruß zeigen [3].

Wir sprechen von Rechtsradikalen und Nazis!

Niemand der am Sonntag oder gestern dort mitgelaufen ist, Verständnis oder gar Sympathie für die Handlungen zeigt, kann es sich mehr verbitten als Nazi bezeichnet zu werden.

Es ist an der Zeit, das Kind endlich beim Namen zu nennen. Es ist an der Zeit einzusehen, dass es nichts mit Verunglimpfung der Personen oder einer Verharmlosung dunkler Teile unserer Geschichte zu tun hat, wenn man diesen Begriff benutzt.

Wir leben in Zeiten, in denen ein Videospiel zensiert wird, bzw. für den deutschen Markt bis zur erzählerischen Sinnentleerung umprogrammiert werden muss, weil der Protagonist gegen Nazis kämpft und zur Kulissendarstellung Hakenkreuze im Spiel auftauchen [4]. Gleichzeitig marschieren Rechte auf und zeigen öffentlich und in eindeutigem Kontext den Hitlergruß und die Polizei schaut zu. Währenddessen brechen Journalisten in einer deutschen Stadt ihre Arbeit ab, weil die Sicherheitslage es nicht mehr zulässt [5]. Deutschland im Jahr 2018.

Am Rande bemerkt: Die Polizei überlässt quasi ganze Straßenzüge Rechtsradikalen, weil sie personell nicht in der Lage ist, die Situation zu handlen [1]. Ob allgemeiner Personalnotstand oder eine katastrophale Fehleinschätzung der Lage im Vorfeld dafür verantwortlich ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Eindeutig ist jedoch, dass eine Ausweitung der Polizeigesetze, wie sie in nahezu jedem Bundesland derzeit angestrebt oder umgesetzt wird, nicht die Problemlösung sind, als die sie uns verkauft werden sollen.

UPDATE (15:40 Uhr): Ein Freund des Opfers erklärt auf Facebook [6]:

[…] Diese Rechten die das als Plattform nutzen, mit denen mussten wir uns früher Prügeln, weil sie uns nicht als genug deutsch angesehen haben. Jeder der Daniel Hillig gekannt hat, weiß das dies unmöglich sein Wille gewesen wäre. Lasst euch nicht Benutzen, sondern trauert… […]

 

[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/chemnitz-wie-die-polizei-eine-stadt-den-rechten-ueberliess-a-1225238-amp.html

[2] https://twitter.com/Chronik_ge_Re/status/1034181409416638471

[3] https://twitter.com/cschellhorn/status/1034126675280310275 , https://twitter.com/LennartPfahler/status/1034166867504627712

[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfenstein_II:_The_New_Colossus#%C3%84nderungen_der_deutschen_Version

[5] https://twitter.com/Lieber_Bunt/status/1034172536878247936

[6]: https://www.facebook.com/daniel.winderlich.5/posts/2131211603609523?__xts__[0]=68.ARBjY8SpiHg6OSBZYJ0VZHAN9sWn_9XZcRUXY0LIvLt9itAPfebpoadytVAZYrlW2vEtgZO8JPjB6yNRj2TSWXXdvsld_ppIpzz5NVq8WgdgrMFaH1YuFJpHUN2nX_VqWO7lPOE&__tn__=-R

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Pirat Aleks A.: Interessante Links und Nachrichten 20.08.2018ff

Blogs - 24 August, 2018 - 18:50
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Alltägliche Wahrheiten: Was mache ich eigentlich jetzt?

Blogs - 24 August, 2018 - 12:50

Bekanntlich reichte es für uns Piraten 2017 nicht zum Wiedereinzug in den schleswig-holsteinischen Landtag. Lange Zeit deswegen traurig zu sein, hatte ich nicht. Etwas mehr als zwei Wochen nach der Wahl sorgte ein ziemlich heftiger (gibt´s andere?) Herzinfarkt dafür, dass ich aus meinem bisherigen Leben aussteigen musste. Direkt nach der etwa siebenstündigen Bypass-OP konnte ich gerade mal 20 Meter gehen. Danach war erst einmal Pause angesagt. Heute, 15 Monate später, lege ich täglich auf dem Ergometer zwölf bis dreizehn Kilometer zurück und mache gerne ausgedehnte Spaziergänge. Geholfen hat dabei natürlich, dass ich weg bin von den circa 40 Zigaretten am Tag.

So ein Schuss vor den Bug ordnet – wenn man ihn denn richtig deutet – vieles neu. Man setzt andere Prioritäten. Politik spielt entsprechend nur noch eine sehr untergeordnete Rolle in meinem Leben. Mein Dienstherr hat mich vorzeitig in den Ruhestand versetzt, nachdem amtsärztlich feststand, dass ich nicht wieder die Fitness erreichen werden würde, die man als Ermittlungsbeamter bei der Zollfahndung nun einmal braucht.

Ganz und gar ohne Einmischen geht es allerdings auch nicht. Helfe mit Rat (öfter) und Tat (seltener) gerne in meiner Partei und an anderen Stellen. Nach wie vor haben Whistleblower genug Vertrauen zu mir und melden sich. Gerne helfe ich ihnen beim richtigen Unterbringen ihrer Informationen. Dabei helfen die „alten“ Kontakte aus dem Parlament natürlich. Das Schöne daran ist, dass ich die „Schlagzahl“ bestimmen kann. Nach dem Tod vom Jürgen Roth im letzten Jahr versuche ich in seinem Sinne handelnd „Dinge auf den Weg zu bringen“.

Dass ich nun wesentlich mehr Zeit für gute Musik und vor allem natürlich guten Blues habe, werdet Ihr noch merken, wenn ich von Konzerten berichte oder nur mal so auf Musiker hinweise.

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Piraten Ulm: Kommunalwahl 2018 in Ulm

Blogs - 24 August, 2018 - 09:47

Es war wohl keine so gute Idee mitten in der Urlaubszeit eine Mannschaft anzuheuern. Wir sagen hiermit die Aufstellungsversammlung am Samstag, den 25.08 ab und melden uns diesbezüglich wieder, wenn wir die Leute beisammen haben.

Wenn du also möchtest, dass in Ulm piratige Politik gemacht wird, melde dich doch bitte bei uns unter
vorstand(at)piratenpartei-ulm.de. Je schneller desto eher können wir aufstellen und je mehr sich melden, umso eher bekommen wir jemanden in den Stadtrat!

Liebe Grüße,
Dein Vorstand

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Piraten Offenburg: Uploadfilter gefährden Spielerezensionen und Let’s Plays

Blogs - 23 August, 2018 - 21:05

Am 12. September werden die Europaabgeordneten abstimmen, wie mit der neuen Urheberrechtsrichtlinie weiter verfahren werden soll. Auch Let’s Plays, Spielerezensionen und Abandonware sind von dieser Richtlinie betroffen, erklärt unsere Abgeordnete Julia Reda:

Uploadfilter sind absolutes Gift für die Spielekultur! Videospielrezensionen oder Let’s Plays, die Gameplay enthalten, sind oftmals (zumindest teilweise) vom Zitatrecht abgedeckt und somit keine Urheberrechtsverletzung, obwohl die Grafiken im Gameplay urheberrechtlich geschützt sind. Uploadfilter können aber nicht unterscheiden, ob es sich um eine Urheberrechtsverletzung oder ein legales Zitat im Rahmen einer Rezension oder Spielkritik handelt.”Julia Reda

Außerdem sind auch Plattformen für Abandonware betroffen, weil diese oft zwar technisch gesehen noch urheberrechtlich geschützte Spiele zur Verfügung stellen (auch im Bereich Software gilt eine Schutzdauer von 70 Jahren nach dem Tod des Autors), die Spiele aber so alt und obsolet sind, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass sich die Rechteinhaber beschweren.

“Niemandem entsteht ein wirtschaftlicher Schaden, wenn auf solchen Plattformen Spiele geteilt werden, die gar nicht mehr kommerziell auf dem Markt erhältlich sind. Dennoch wären solche Plattformen mit Artikel 13 unmittelbar für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer*innen haftbar und würden damit ein großes wirtschaftliches Risiko eingehen – und sie könnten zum Einsatz von Uploadfiltern gezwungen werden.”Julia Reda

Wir organisieren deshalb gemeinsam mit anderen Gruppenn von Parteien, Bündnissen und Einzelpersonen europaweite Proteste gegen die Einführung von Uploadfiltern sowie eines europäischen Leistungsschutzrechtes. Am 26. August sind derzeit Demonstrationen in 20 europäischen Städten geplant, darunter Berlin, Hamburg, München, Paris und Stuttgart. Eine Übersicht über alle Demonstrationen kann man auf einer eigens eingerichteten Karte finden.

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Piraten Offenburg: Aufruf zur Fortsetzung der Proteste gegen Uploadfilter in Stuttgart und ganz Europa

Blogs - 23 August, 2018 - 05:38

Wie angekündigt mobilisieren die Piratenpartei und verschiedene andere Gruppen von Parteien, Bündnissen und Einzelpersonen europaweite Proteste gegen die Einführung von Uploadfiltern sowie eines europäischen Leistungsschutzrechtes. Am 26. August sind derzeit Demonstrationen in 20 europäischen Städten geplant, darunter Berlin, Hamburg, München, Paris und Stuttgart. Eine Übersicht über alle Demonstrationen kann man auf einer eigens eingerichteten Open-Street-Map finden.

“Vor einem Monat haben wir Geschichte geschrieben: Wir haben ein Gesetz aufgehalten, das unsere Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt hätte. Es war eine noch nie dagewesene Niederlage für mächtige Lobbys, die stets auf eine weitere Verschärfung des Urheberrechts pochen.”Julia Reda

Nach der Abstimmung im Juli werden die Inhalte des Gesetzesentwurfs nun neu verhandelt. Im September wird es deshalb erneut zu Abstimmungen im EU-Parlament kommen, bei denen wieder Uploadfilter und Leistungsschutzrecht zur Debatte stehen werden. Die Piratenpartei will deshalb auch in Baden-Württemberg erneut zu Protesten aufrufen.

Die Öffentlichkeit hat mit fast einer Million Unterschriften deutlich gezeigt, dass sie Uploadfilter und Linksteuer ablehnt. Nun werden wir diesen Protest erneut auf die Straße bringen. Deshalb werden wir am 26.08 auf dem Marienplatz in Stuttgart stehen und zeigen, was wir von diesen unangemessenen Eingriffen in die Grundrechte jedes Einzelnen halten. Durch den öffentlichen Druck konnten wir die erste Abstimmung gewinnen. Diesen Erfolg werden wir im September hoffentlich wiederholen!”Michael Knödler

Weitere Informationen
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Pirat Aleks A.: Interessante Links und Nachrichten 13.08.2018ff

Blogs - 19 August, 2018 - 19:30
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Alltägliche Wahrheiten: Scheibchenweise, weil es sonst zu viel ist

Blogs - 18 August, 2018 - 13:50

Nach über 20 Monaten bin ich also mal wieder in meinem Blog unterwegs. In meinem Leben ist seit Januar 2017 so viel passiert, dass ein Blogpost dafür einfach nicht geht. Dafür hat sich zu viel geändert – äußerlich wie innerlich.

Ich zäume das Pferd mal von hinten auf und beginne damit, Euch mitzuteilen, dass ich seit ein paar Tagen so etwas wie eine digitale Frischzellenkur erlebe. Wegen der mittlerweile ja unerträglichen Policy von Twitter bin ich auf eine Fediverse-Instanz umgezogen. Genau gesagt bin ich nun auf einer Mastodon-Instanz zu Hause und dort unter Oreo_Pirat@mastodon.social erreichbar. De facto hat Twitter seine API für Drittanbieter geschlossen, denn die horrenden Gebühren – umgerechnet für Tweetbot-Nutzer 16 US-Dollar monatlich – sind unbezahlbar. Ich hatte von Twitter ohnehin schon lange die Faxen dicke. Die Timeline lief nicht mehr chronologisch, Bots zuhauf, Nazis mit Pöbellizenz, Werbung, Willkür usw. machten den Aufenthalt dort seit lange schon mehr unangenehm als Informationen vermittelnd. Bis vor zwei Wochen wusste ich nicht, dass es für all das eine tolle Alternative gibt, die in Userhand dezentral aufgestellt und doch miteinander per Open Source verknüpft funktioniert.

Vom ersten „Toot“ (Name für Tweet), den ich „getrötet“ (Name für „twittern“) habe, bis jetzt ging es dort sehr freundlich, sehr hilfsbereit und sehr respektvoll zu. Dass ich über 3.200 Follower auf Twitter aufgebe, um wie vor neun Jahren komplett neu anzufangen in einem Social Media-Kanal, fiel mir wahrlich nicht leicht. Das hat ja auch etwas mit gefühlter Bedeutsamkeit und angenommener Reichweite zu tun – andere nennen es Eitelkeit (und sie haben Recht!). Innerhalb von drei Tagen fanden 53 Menschen meine Toots interessant genug, um mir zu folgen. Umgekehrt folge ich 78 Menschen. Weil jedoch in meiner lokalen Timeline viele andere Menschen unterwegs sind, die sehr unterschiedliche Interessen haben und von überall her kommen, breche ich gerade aus meiner alten Filterbubble aus. Das ist etwas, von dem ich in dieser Qualität genauso überrascht wie angetan bin. Einer meiner ersten Toots bringt es, wie ich glaube, auf den Punkt:

Viele aus meiner alten Twitter-TL sind schon zu einer der Fediverse-Instanzen gewechselt. Wir haben Spaß und freuen uns auf Euch!!!

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